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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Dohme, Robert: Die Kriegs-Ausstellung in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4816#0036

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Die Kriegs-Ausstellung in Berliiu

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Skizzen des Prem.-Lt. Schott, aus der Umgegend von
Paris. Anderes enthalten voraussichtlich die Mappcn.
An Kräften zn ähnlichen Leistungen kann es im franzö-
sischcn Heere wenigstens in der zweitenHälfte des Kampfes
nicht gefehlt haben; gewiß findet sich auch vieles in den
Skizzenbüchern des Einzelnen; da wir aber hier nichts
davon sehcn, so darf man annehmen, daß die Repro-
vnktionen davon auch nicht iu den Handel gekommen.

Jn der Darstellung des Kampfes und Kricgslebens
nun findet man dentscherseits das Vorherrschen eines
stärkeren Gemüthslcbcns, welches sich oft bis zum Hnmor
steigert. Die Scenen des cigentlichen Kampfgewühls
sind verhältnißmäßig selten, und es zeigt sich selbst in
solchcn Blättern doch fast immer wieder das Bestrcben,
vas furchtbar Erschütternde des Hauptmomentes durch
vie Nebengrnppen zn mäßigen. Jn dem Verwnndetcn
lebt noch die Begeisterung für die Sache; sie läßt ihn
den Schmerz vergessen, oder aber macht ihn still ergebcn
in das unvermeidliche Schicksal. Meist ist dic Hülfe
des Arztes oder Krankenträgers ihm nahe. Das hohe
Ziel, das Gefühl für die sittliche Bedentung des Kampfcs
tritt in diesen Blättern zu Tage und läßt über die
Schmerzcn und Noth leichter hinwegsehen. Dcm cnt-
sprechend liebt dcnn anch die deutsche Darstcllnngswcise
die lichten Momente dcs Kriegslebens: Begrüßungcn,
Hulvignngcn, Umarmungen nach der Schlacht, Erleb-
nisse einzelner Patrouillen und Vvrposten, das Lager-
leben, dic Thätigkeit des rothen Kreuzes u. s. w.; mit
einem Wvrte, wv sie irgend kann, sucht sie im Soldaten
den Menschen von seiner gemüthvollen Seite auf. Der
Gegncr wird dabei gern mit gutmüthigcm Spott be-
handelt oder in crnster Würde anfgefaßt, wic es nnr
durch ein theilnehmendes Eingehen in seine Empfindungen
moglich. Die Schlachtcn sind am liebsten im Sinne
des Gcneralstabsoffiziers gcsehen, wo das cinzelne mit
seinem Schrcckcn hinter dem großen Allgemcincn ver-
schwindct. — Dieser Auffassnng stcht nun die franzvsische
hochpathctische cntgegen. Fast ausschließlich wird dort
das Furchtbare des Kricges geschildcrt. Die ganze Noth
nnd der Jammer dcr „Männcr mordcndcn Feldschlacht"
spricht anö ihrcn Bildern, in dcncn kcin letzter über
dem Gauzcn schwcbcnder sittlicher Gedanke eine Ver-
svhnnng im höheren Sinnc zuläßt. Wo die Schlacht
selbst vorgeführt wird, da sehen wir dcn wüthenden An-
stnrm der Massen, den Knäncl stürzender Männer und
Nosse; — nicht dcr Sicg, nicht die Flucht, der Tod in
seincr mannigfachcn Gestalt ist dcr Jnhalt dieser Dar-
stellungen! Noch liebcr jcdoch schilvern sie uns das
verodete Schlachtfeld, wenn die Nacht darüber hercin-
gebrochen; wir müssen die ganze Verzweiflung und dcn
Jammer der nach Hülfe nnd Wasser lcchzendcn Ver-
wnndeten mit anschen. Statt dcr Rcttung aber blitzcn
im Hintergrnndc die Schüsse ferner Kämpfenden anf, !

nm das Grausigc des Eindrncks noch zu erhöhcn. Man
darf in solchcr Anffassnng nicht etwa nur einen Ans-
fluß patriotischen Schmerzes sehen und sich darauf be-
rufen, daß fast ausschließlich die Leiden der eigenen
Landslente dargestellt sind. Ein nicht von Leidenschaft
getrübter Patriotismns würde sich in ganz anderer Weise
gcänßert haben. Vielmehr liegt hier, wenigstens stark
mitwirkend, die dem modernen Franzosen so eigene Lust
an der Vorführung des die Nerven Erschütternden zu
Grundc. Mit einer wahren Wonne ist Schreckcn auf
Schrecken, Scheußlichkeit auf Scheußlichkeit gehänft. Das
giebt dem Betrachter, noch mehr der Betrachterin jencn
beabsichtigten „angenehmen Schauer," den Zwillings-
bruder des Wollustkitzels. Die Kriegsbilder zeigen darin
nur prononcirter das, woran überhaupt die neueste fran-
zösische Malerei krankt. Sie sind die Pendants der
Hetärenmalerei des Friedens! — Ein weiterer den
meisten Darstellungen gemeinsamer Grundzug ist das
Bcstreben, dcn Nationalhaß wach zu erhalten, der erst
in der befriedigten Rache gcstillt sein darf. Wir sehen
fast nie objektive Darstellungen, sondern auf die Leiden-
schaft der Massen berechnete Phantasien. Am entschie-
denstcn in dieser Nichtung ist G. Dorv in seinen
^lrrvoonoinlllss" und „Ü.s6onoilis8," gest. von Gl-
rardet. Tiefe Nacht deckt ein Schlachtfeld, dessen Ab-
räumung noch nicht hegonnen. Aus dem Haufen der
Leichen und Sterbcnden haben sich zwei Gestalten er-
hoben; grell fällt das Mondlicht auf die eine, cinen
bayerischen Kavalleristen — einen solchen scheint wc-
nigstcns die inkorrckt gezeichncte Uniform zu meincn —;
die andere, cin französischer Husar, hat das Pistol cr-
hobeu und ist im Bcgriff, anf den Gcgner zu schießen.
Zwar ist das Gefecht der Massen läugst vorbei, der
Haß des Einzclncn aber bleibt ungcstillt nnd die ganze
schreckensvolle, das Mitleid mächtig anregende Umgebung
vermag dagegcn nichts. (Hätte ein Dentscher einc ähn-
liche Darstellnng fcrtig gcbracht, ohne wenigstens eincn
cigcntlichcn Kampf, keinen Einzclmord vorznführen?)
Das andere Bild zcigt dann, wie bei hcreinbrechendcin
Morgen der Franzose, den verwundctcn Gegncr stiitzcnd,
nach Hülfc ausschant. Gcwiß einc lahmc Versöhnnng
des verletzten Gcfühls! Ucbrigens sind beide Blätter
ziemlich flüchtig komponirt und nicht cinmal sonderlich
gut gczeichnet. Dics sei ein Bcispiel für vielc. Ueberall
Tendenzmalerei iu uatnralistischer und pathetisch-thea-
tralischer Vorführung!

Nnn aber auch dic andcre Seite der Sache. Weit-
ans übertrifft die französische Darstellnngsweise in tech-
nischer Hinsicht die dentsche. Dic außerordentlichc Sicher-
heit in der Zeichnnng dcr Fignrcn, selbst bei denen im
höchsten Affect, in der schwierigsten Verknrzung, im
wüstesten Durcheinander, kann man nur bewnndcrn. Es
ist dies^eine Stufe der Vollkommenhcit, von der die
 
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