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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Die Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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Julius, Leopold: Die Kunstschätze Anhalts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4816#0281

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Die Kunstschätze Anhalts.

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lich äußert sich die schalkhafte Freudc der Frcundin an
dem gelungeuen Streich; die weibliche Hauptfigur des
Bildes dagegeu, die dcu vcrrätherischen Strauß in dcr
Hand hält, ist nicht recht klar iu Haltung und Aus-
druck. Kurzbauer hat außerdem zwci allerliebstc Kinver-
bildchen ausgestellt, die an lustiger Naivcläl der Auf-
fassuug und malerischem Wcrth mii Knaus wetteifern. —
Von den beiden Bildern Defregger's „Sonntag
llkachmittag" und „Das erste Bilverbuch" gebcn wir
auch dem kleineren, letztgenauuteii wieder den Vorzug;
die Ausfiihrung ist allerdiugs cine gar flüchtigc, aber
Empfiiidung und Ausdruck haben dadurch nicht gelittcn,
währcud uns aus dcm größercn Bilvc kein vollcr Wieder-
schein der großcn Begabuug Dcfregger's, nur ba und
bort ein Lichtstrahl scharfer Beobachtung entgegenlcuchtet.
— Vou den übrigcn Münchenern bezeichnen Gysis
(„Mohr und Kind") unv Pixis („Abfahrt zur Hoch-
zeitsreise") dic äußersten Pole flvtter, breitcr Charaktc-
ristik und überzahmer, süßlicher StiiumungSmalerei.
Bleibt uns nur diese Wahl, so ziehcn wir die erstere
vor, so brutal sie sich auch oft anläßt. Pixis gcnügt
nur den mäßigsten Ausprüchen, wie man sie etwa an
einen Jllustrator von Haus- nnd Familienchroniken alt-
väterlichen Stils machen darf. Ein echter Genremaler
Packt Menschen und Dinge herzhafter an.

Die Lniistschähe Änhalts.

W. HojäuS, Die Wvrlitzer Autiken. Dessau 1873.
Dcrsclbe, Die Gcmäldegalerie dcs Stiftsschlosses zu
Mosigkau. Dcssau 1871.

Den zahlreichen und uicht unbedeutenvcu Kunstschätzen
Anhalts ist bisher wedcr vom kunstverstäuvigen noch
Vvm kunstliebenden Publikum besondere Aufinerksamkeit
gcscheukt wordeu. Diese Vcrnachlässigung crklärt sich
einmal aus der Zersplitteruug der Sammluugen, welche
deren Betrachtuug nur mit großem Zeit- unv Kosten-
aufwaude zuläßt, dann aber auch daraus, daß die vor-
handenen Kunstschätze zu wenig bekannt sind. Die Publi-
kation einer Katcgorie dcrselbeu, der Antikcn zu Wörlitz
von Gerlach, blieb unvolleuvet und bcfiudet sich nur in
den Händen Weniger. Beide obeu gcnaunten Arbeitcn
haben sich die dankenswerthe Aufgabe gcstellt, das
Publikum auf die in Wörlitz in verschiedcnen Gebäuden
aufgestelltcn Autikeu und die im Stiftsschlossc zu M°-
stgkau bci Dcssau befindliche Gcmäldegalerie aufmerksam
zu macheu. Der Verfasser wollte nicht als Fachgelehrter
wissenschaftliche Kataloge liefcrn; er bczeichnet beschcivcn
als Zweck seiner „Wörlitzer Antikcn", die Männer der
Wissenschaft wiederuni an ihre Schuld eriunern zu wollen,
diese Ueberrestc autikcr Kunst einer eiugehenderen Be-
krachtung zu würdigen.

Unter den 70 Nummern der ersten Beschreibung,
in welche allerdings auch ciuiges Moderne aufgcnommeii
ist, — so z. B. der bci Gerlach als autik gegebcne
Satyrkopf (No. 5 l bei Hosäus), — findcn wir manches
interessante Stück. Außer den schon bei Gerlach publi-
cirten Werken: der kleinen vierfigurigen Gruppe (No. 9),
wclche nach dem Wandgemälde bei Hclbig (Campan-
Wandgem. No. 1142) auf Herakles und Jole odcr Auge
zu deuten ist, dem Kvlossalkopfe dcr Artemis (No. 10),
der verwundetcu Amazone (No. 11), dcm Kolossalkopfe
dcr Kybcle(No. 12), der Statuette dcs trunkeneu Heraklcs
(No. 13), dem trefflichen kleiuen Heraklestorso (No. 43).
dürften besonders zu erwähucn scin cin weiblichcr Ko-
lossalkopf (No. 2), tüchtige Kopie eines griechischen Werkes
ver bestcu Zeit, wahrscheinlich cine Amazoue, und der
Kopf eines Jünglings (No. 5), welchen der Verfasser mit
No. 49 der Müuchener Glyptothek vergleicht. Die Musen-
statucn des sogenaunteii Pantheon bilden keinc zusammen-
gehörige Gruppe, wie aus der Verschiedcnheit dcr Größe
hervorgeht, ferner anch aus dcm Umstaude, daß die als
Kalliope und Klio restaurirlen Figuren (Nv. 29 und 31),
abgescheu vou Größe und Ausführuug, völlig übereiu-
stimmen.

Die 48 Nummern (fast lauter Nicderländer) um-
fassenve Mosigkauer Sammluug ist einc wahre Perle.
„Die kunstgeschichtliche Bedeutung dicser Sammlung
wird wesentlich dadurch erhöht, daß dem Berichtcrstatter
rücksichtlich dec Bestimmiing der einzelnen Bilver neben
vielen auf veu Bilvern sclbst befiudlichen Zeichen und
Jnschriften noch schätzbare archivalische Nachrichten zu
Hülse kommen, so daß von der Mehrzahl nicht allein
ver Meister mit Bestimmtheit angegeben, sondern auch
die Geschichte, der frühere Taxwerth und Anderes viel-
fach festgestellt werden kann." (Hosäus S. 6.) Hier
mögen nur folgende Gemälde hervorgehoben werdcu:
No. 2 Hannemann, weibliches Bildniß; No.5 Jordacns,
Apollo und Marsyas (?); No. 10 und 42 Hühner vou
Hondekoeter; No 11 Mignon, Stillleben; No. 17 Rom-
bouls, musicirende Gesellschaft; No. 18Antou van Dyck,
Prinz Wilhelm II. von Oranieu als Kind, das Haupt-
stück der Sammlung, eins der besten Werke des
Meisters; No. 20 Alslovt, Winterlandschaft; N'o. 23
Boel, Eber von Hunven verfolgt; No. 30 Rubcns' Schule,
Meleager und Atalaute; dko. 35 Karel du Jardin, Thier-
stück mit Landschaft; No. 38 Roos, do.; dko. 40 Danicl
Seghers, Blumenftück, in der Milte eine Pietas.

Dieser Sammlung stelleu sich die' übrigcn Anhaltö,
besonvers die des Herzogl. Schlosses und des Amalien-
ftiftes zu Dessau und vie zu Wörlitz (im Schlosse und
im sogcnanntcu gothischen Hausc), würdig zur Seile, sv
daß gewiß auch diese das Jntercsse wciterer Kreise in
Anspruch nehmen dürften.

Leop. Julius.
 
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