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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Dohme, Robert: Die Werner-Ausstellung in Berlin
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Korrespondenz Wien, [2]
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Die Weriier-Aiisstellung in Berlin. — Korrcsponden;.

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Wieder ist die ungemein sckilichte Einfnchheit und Be-
scheidenheit der Machc bei vollendeter Sicherheit das
Bemerkenswerthe. Die nwderne Lüderlichkeit, in dcr sich
hinter brcitcn Pinselstrichen nur zu oft der Mangel an
guter Zeichnnng verstcckt, ist ihm fremd. Auch er malt
brcit und kräftig, aber ohne jcde Effekthascherei und, wo
cs darauf ankommt, sehr sorgfältig. Dic Farbe ist klar
und dnrchaus naturwahr, die herbstliche Slimmung auch
>»l Luftton glücklich gctrofsen; ein eigentlich pvclischer
Rciz aber fehlt dem Kolorit. Eine dkebeusache sei bc-
merkt: Der landschaftlichc Hintergrund ist etwas zu fest
gkmalt, cr vertieft sich uicht genng in das Bild hinein,
badurch drückt er auf die vordercn Theile und stört
ihre plastische Wirkung eiuigermaßcn.

Den Vorwurf, iu der Farbe noch uicht recht zur
Klarheit nüt sich selbst gekommcn zu seiu uud daher noch
gelegentlich zu experimentircn, muß man Werner auch
»uf andercm Gebict iirutati« inutanckis macheii, uud
zwar bei den ueununddrcißig Originalzeichnungen zu
Schefsel's „Trompetcr von Säkkingcn". Wer nur die
Hvlzschuitte kennt, ahnt uicht, welche Fülle von Schön-
hcit durch das Uebertragen auf den Holzstock und das
'lieduciren des Maßstabes verloren gegangcn. Die köst-
lichcn Blätter, wv Margarethe iiu Beiscin des Baters
jung Werncr den Trunk reicht, die Umarmung in der
^aubc, daö Koncert, vor allcm aber die Scene, wo Wer-
»er Margarethe bcim Bersuch dcs Blasens der Trom-
pete überrascht, haben die meisten Feiuhciteu verlorcn.
Waö jst aus dem reizenden Köpfchen der Margarcthe
geworden mit dcm leichtcn Umnuthsfältchen auf dcr
Stirn, daß die Töue ihr so mißlingeu. Die Schönhcit
ber ursprünglichen Zeichnung kann mau aus diescu Holz-
schnittcn käum annähernd errathen, wcnu sie auch, aus
ber Nvth eiue Tugend machend, den Fehler dcrselbcn
'hre große Ungleichheit in der Art der Ausführnng,
>»ehr verwischen. Weruer schwankt zwischen allcn niög-
lichen Nuancen der Tusch- uud Federzeichuung hin und
her, während doch gleich das Titelblatt den cinzig rich-
ligm Ton anschlägt, den dcs Feinschnittcs, wic ihn Hans
Liitzelburger und seine Geislesverwandten geübt, und wie
rr durch Ludwig Richter neuerdings wicdcr zur Geltuug
gebracht worden ist. Die Verwilderuug des Holzschnittes
i» unserer Zcit ist sattsam besprochen, der Vcrsuch, ihn
^ein malerisch zu behaudcln, zu oft verurtheilt wordeu,
^ls daß ich noch einiual das Allbckanntc wiederholen
svllte. Weil imii Werner ein buntcs Allcrlei vou Bka-
»ieren versucht, sv trägt er dadurch wenigsteuS theilwcisc
lelbst Schuld daran, daß dcr Xylograph hintcr seincn
Fntentivncn zurückgebliebcu. Welchcn Schatz hättc er
unserm Bvlke liefern kvmieu, wcun cr gcrade dics Ge-
dicht? glcichmäßig iu dcr Art mit seincn Ällustrationen
begleitet hätte, wie es das Titelblatt crwarten läßt,
währcnd das Werk heut frcilich immer noch cine Neihc

einzelner sehr schöncr Jllustrationen hat, im Ganzen
aber kein harmonisches Künstwerk mehr ist, viclmehr
einen unruhigen Eindruck macht. Sehen wir freilich
von dem Zusammenhange dcs Gauzen ab uud betrachtcn
,uur den selbständigen Werth der einzelnen Originale,
dann müssen wir auch hier wieder die sichere Leichtigkeit
der Zeichnung, die lebendige Wahrheit uud zuiu Herzeu
sprechende Jnnigkeit jeder einzelnen Scene bcwundern,
ebenso die Vertrautheit, mit der sich der Künstler in die
Zeit der Dichtung hinein gelebt, was sich selbst in den
Nebensachen, in Tracht, Architektur und Geräth aus-
spricht. —

Dieser Bericht ist läuger gcwordcn als ich beab-
sichtigt. Die Werner-Ausstellung aber dürfte voraus-
sichtlich auch das wichtigste Ereigniß in dcm Berliner
Kunstleben dieses Winters bleiben, und kein Zweifel: an
wahrhaft künstlerischer Kraft übertreffen die Arbeiteu
dieses Mannes alles, was seit lange hier m dic Oessent-
lichkeit getretcn.' R. Dohme.

Äorrrspoi>l>e»z.

Wien, im März.

(Schluß.)

I'. k?. Jch habe den Schluß mcines Bricfes hinaus-
geschoben, um die Ausstellung des zweiten großen Bildes
von Fcuerbach abzuwartcn, welche für Anfang dieses
Monats angekündigt war. Es ist dies eine Wieder-
holuug dcs von der Müncheuer Ausstellung des Jahres
1869 her allgemein bckanuten „Gastmahl des Platon",
wclche der Meister schvn im letzten Frühling nüt hier-
her brachte und kürzlich vollendct hat. Die Replik
untcrschcidet sich zwar uicht wescntlich von der ersten
Komposition, aber sie ist doch auch nichts weniger
als eiue bloße Kopie derselbcn, wie wir das von cincr
so rastlos und energisch voraustrebcndcn Künstlernatur
ntcht anders erwarten konnten. Zunächstsind die Putten,
welche den hereiiischwärmenden Zug des Alkibiades be-
gleiten, um einen derben kleinen Burschen vermehrt, der
mit dem auf den Stufen stehendcn, etwas anders als
früher bewegten Knaben ein mächtiges Blumengewinde
trägt. Auch in der Gruppe der rechts gelagerten Sym-
posiasten, welche den Wechselreden des Sokrates und
seiner Schüler lauschen, hat der Mcistcr einige glücklichc
Beränderungen vorgenommen; die lebensvollen Gestalten
mit den durchgearbeiteten Charakterköpfen haben an Wucht
dcs Ausdrucks gewonnen; das Ganze erschcint voller,
geschlossener, im Beiwcrk reichcr; dcr mit Masken, Kiv-
kranicn und Fruchtschnüren auf Goldgrund verzicrte
Rahmen ist ganz ncu hinzugckvmnicn; und cudlich hat
Fcuerbach das ueutrale Grau des frühcrcn Bildcs durch
farbigere Töne ersetzt, ohne jedoch deßhalb ciner ihm
fremden koloristischen Aiischauiingswcise Koncessioncii zu
machcn. Der Eindruck des Wcrkcs ist ein tiefer und
 
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