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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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385

Konespondeiiz.

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2ahrhui,derts. Ebcn tritt einc statltichc Dame mit
I6cngcn Zügcn hcran und cin jüngcrcS Mädchcn mit
mchr kindlichcm AuSdruckc alö die Ucbrigcn bictet ihr
eiuc Hcrbstzcitlose, als suche sie vie Dame, die gcrade
uuf sic znschreitet, milder zu stimmcn. Jm nämlichcn
^ugenblicke ocrstcckt sich cincr der Cavalicre hinter dem
juugcn Btädchcn, vcrgigt abcr dabci, die linke Hand, mit
^cr cr cs nmschlungcn gchabt, von ihrcr Taille zu nch-
uicn. Ein zwcites Pärchcn cntsernt sich Arm in Arm;
ciu Cavalicr lchnt sich melancholischen Ansdrucks an eincn
-öanin und ein vierter bückt sich cben nach cincm vom
^auin gcfallcncn Apfcl. Nechts im Hintcrgrunde sieht
>uan einc gröszere Gcsellschaft und wcitcr nach links öffnct
fich cin Ausblick dnrch dcn Garten nach cincni kleinen
^andhausc, aus dcsscn Fenstcrn Lampcnlicht scheint, wäh-
rcnd dic Pcrsoncn im Vorgrnndc nnd die Gcsellschaft
«chts im vollen Tageslichte stchen. Die Folge dieser ^
kigcnthümlichcn Dvppclbeleuchtung und dcr nicht mindcr
^igeiithüuilichcn Bchandlung des ganzcn landschaftlichen
Hintcrgrundcs ist die, daß man dcn Eindrnck erhält,
ais seicn. dic Hauptfiguren auö dcr Leinwand gcschnitten
"ud anf ein zufällig zur Hand gewcsencs Stück Gobelin
geklebt; cs fchlt allc und jede Vcrmittclung.

Was der Künstler mit dicsem Bilbe überhaupt aus-
fprcchon wollte, wciß ich nicht; nnd da von ciner eigcnt-
lichcn Handlnng kcinc Rcdc ist, muß das Bilv von dicscr
^vite natürlich ganz kalt lassen. Dagcgcn übt cs vom
koloristischcn Standpnnkte eincn Zaubcr ans, dem sich auch
ber cntschicdcnstc Gcgncr dieser Nichtnng nicht zu ent-
Kehcn vcrmag nnd den er rückhaltslos ancrkcnncn mnß,
ja ich fnr meinen Theil bekenne gern, daß ich unter
k>cn Werkcn der ncucstcn Kunst kcines kcnne, das Max'
"Herbstreigen", was dcn Schmelz und die wundersame
Harinonie der Farbe bctrifft, auch nnr annähernd glcich-
keuiint. Um so bcdcnklichcr erscheint mir der Vcrstoß
gegen dic Liiftperspcktive, dcn sich der Künstlcr bczüglich
dcr Gcscllschast rcchts im Hintcrgrnndc zn Schuldcn kom-
">«i ließ, die aus lantcr Zwcrgcn zu bcstchcn scheint.

Wcrke frcmder Mcistcr sind im Münchcncr Kunst-
vereine allzcit cine Seltenheit und zichen schon als solche
die Aufinerksamkcit auf sich. Um so mehr mnßte dicß
e>n Bild von so bcdeutenvcn Dimcnsionen wie daö von
^crd. Keller in Karlsrnhe eingcscndcte thun, das lauter
Figurcn in Lcbensgrößc zeigt. Nero, das übergeschnappte
^enie anf dcm Throne dcs Weltreiches, üble in vcn
ketzten Jahrcn eine bcsondcre Anziehungskraft auf die
Kiiustler auö. Auch Kcller zeigt ihn uns und zwar von
uacklen Weibern umgeben, dcm Brande von Nom zu-
schauend. Ein Hauptfchler dcs Bildcs licgt nieines Er-
uchtcns darin, daß der Künstlcr dcs Gutcn zu viel that,
iudeni cr außcr dcn Haupt- und Nebcnfigurcn nvch eine
svlche Bkcnge von Ncbenvingcn brachte, daß für jenc ,
kanni uichr Platz blcibt, sich zu bewegcn. Am gelun- !

genstcn erscheint mir Ncrv sclbst, der müdc und schlaff
in seinem Stuhl lehnt und die goldne Schaale mit Wein
nur mit Mühe emporznhebcn schcint. Hinter ihm stcht
cine seiner nacktcn Hetären. Wollte Keller damit aus-
drücken, daß Nero im Weib nur das Wcib liebtc, so ist
ihm das vollkoinmcn gelungen, dcnn das blonde Weib
mit den überüppigen Formcn hat nichts an sich, was
sonst fesscln könntc. Feiner und geistiger gedacht erwcist
sich das junge Mädchcn zu Füßcn dcs Kaisers, das
ihm mit graziöscr Bewegung dic Leicr cmpor rcicht.
Natürlich fehlen in der Umgebung dcs Hcrrschers, der
sich sclbcr für eincn der ersten Künstler sciner Zeit hielt,
Musiker nicht; der eine, splitternackt, bläst die einfache,
dcr andere, nothdürftig bekleidct, die Doppelflötc. Abcr
trotz dem bcdcutcndcn Gegenstande, trotz dem im Ganzen
und Einzelnen trefflichen Kolorite und trotz dcr höchst
schätzenswcrthcn Technik läßt das Bild kühl, und das
zumeist darnni, wcil man fühlt, daß der Maler um jeden
Preis wirken wollte.

Recht krankhafte Gcstaltcn von Hcrren, Damen und
Kindcrn hat H. Schneiv er in seinem „Tanz am Mcere"
versammelt. Es licgt eine so eigenthümliche Blässe auf
diesen Gcsichtcrn, daß man Mühe hat, sie von denen
der Marmorfignren ncbenan zu untcrscheidcn nnd dcr
Junge, der nackt am Ufcr kauert, könnte cbcnsv gnt aus
Stein gcmeißclt scin. Abgcsehcn davon habcn die Cava-
liere in der enganlicgcndcu Tracht des l 5. Jahrhunders
ctwas Winvigcs, Schnciderhaftcs, das an's Kvmische
strcift. Jndeß finden sich ein paar allerliebst gcmalte
Köpfchcn auf dem Bilve, desscn glatte Technik wunder-
sam von der Spatclmalerei absticht, die hente Mvde
gcwordcn.

H. Kauf fmann brachte kurz nach einander zwei
trcssliche Bilder zur Ausstellung: „Das ncue Schaukel-
pfcrd" und cinc Eifersuchts-Scenc, in welcher cin
bayerischcr Chevauxlcgcr scinen bäuerlichcn Rivalen bei
dcr schmuckcn Kellncrin anszustechen schcint. Namcntlich
das lctzterc Bilo fand wcgcn des köstlichen Humors und
der lcbcndigen Eharaktcristik der drei Personcn wohl-
vcrdicnten Beifall.

Ehe ich über die jüngsten Wochenausstellungen des
Kunstvereins Bericht erstatte, möchte ich eine höchst
schätzbare Sammlung kunstgewerblicher Ent-
würfe von der Hand des ältcren Fanstner, cbcn
dcsselbcn, der aus seiner Fnnktion in der k. Glasmal-
anstalt in Biünche» verdrängt werden soll, crwähncn,
die ich dicscr Tage zu schen Gelegcnhcit hatte, obwohl
der noch allzubcscheidcne Künstler Bedcnken trägt, die-
selben zu veröffentlichcn. Es sind dieß ncun mit der
Feder gezeichnete Blätter, welchc mich lebhaft bedaucrn
ließen, daß des Künstlers schöncs Talcnt in dieser Nich-
tung brach licgt. Faustner erweist sich in denselbcn
nicht bloß als ein warmer Freund, svndern auch als
 
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