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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Lücke, H.: Die neuen Erwerbungen der Berliner Gemäldegalerie, [3]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4816#0250

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495

Die neuen Erwerbuugen der Berliner Gemäldegalerie. — Korrespondenz.

496

ist der Entwurf ;u dem Deckenbilde in der Chiesa dei
Gesuati in Vencdig, ciner von 'den zahlreichen dekora-
tiven Malcreien diescs Mcisters, in denen er für die
Zeit dcs Nococo vorbildliche Bedcutnng hatte.

Die deutsche Schule ist durch ein Hauptwerk von
Hans Baldung Grien und das Bild eines anony-
men Meisters vertreten. Das Gemälde Grien's, cine
Anbetung der Köuige, mit den Gcstalten des h. Georg
nnd Mauritius auf den Seitenflügcln, stammt wie scin
Gegenstück, dcr Sebastiansaltar, dcr sich jetzt im Bcsitz

des Herrn Fr. Lippmann in Wicn bcfindct, aus der

Marktkirche in Halle. Das letztere Bild ist mit dcm

Monogramm des Mcistcrs und der Jahreszahl 1507
bezeichnet, in welchcm Jahre wahrschcinlich anch das
Berlincr Bild entstand. Dic zwei Gemälde sind die
frühesten sicher beglaubigten Wcrke dcs KünstlerS und

lassen den Einfluß Dürcr's, den die neuere Kunstfor-
schung an Baldung's Werken mit bcsouderm Nachdruck
hervorhebt, mit allcr Bestimmtheit erkennen. Jn der
lebendigcn, porträtartigen -Charakterislik der männlichen
Hauptsiguren, bcsondcrs der Gestalt dcs Königs in der
Mitte des Hauptbildes und dcs h. Georg auf dcm
linken Seitenfkügel, erschcint das Berliner Gcmälde vor
allem bedeutcnd, während der Kopf der Madonna und
das Kind in dcr Zeichnung auffällig schwach und un-
bcstimmt sind. Das Kolorit ist von seltener Gedicgen-
heit und Frische; einc ebcnso naive wie encrgische Far-
bcnlust herrscht in dcm Bilde, das cin zwar ctwas
buntes, aber zugleich auch eigenthümlich festliches An-
sehn hat; die Farbe mit ihrcn einfachen Lokaltönen,
mit ihrcm Glanzj ihrer Durchsichtigkeit und Kraft macht
einen Eindruck, den man ani bestcu der Wirkung ciner
reichen, Vvm Sonneulicht beschicncnen Glasmalcrei ver-
gleicht. Einige Stellen, besondcrs im Hintergrunde des
Bildes, sind übcrmalt, alle Hauptparlicn aber uuberührt
und vorzüglich erhalten. — Das andere Gemälde der
deutschcn Schnle, das Porträt eincs jnugen Architckten,
zeigt die nnverkennbaren Einflüsse oer Holbein'schen
Malweise; über den Meister desselben sind jedoch nur
erst unsichere Vermuthungen möglich.

(Schluß folgt.)

kollrsponk>r»j.

Frankfurt a/M., Ende April.*)
^V. Je weiter nnter der trcfflichen Leitung Den-
zingcr's die Wiederherstcllung nnd der Ausban des
Frankfurter Domes ihren Fortgang nchmcn, um so näher
tritt auch die Zeit hcrau, in welcher der hiesige Dom-
bauverein die Verfolgung seiner Ziele kräftiger in die

') Jn der letzten Fraukfmter Koirespondenz, Sp- 100
d. Bl., letzte Zeile, ties: „Absichtliches^ statt „Absichtloses".

Hand nehmcn kann. Sie sind: würdige künstlerische
Ausschmückung deS Kaiscrdomes und desscn Freilcguug.
Diese letztere wird wohl käum in der Macht des Bcr-
eines licgen, so bedeutcnd auch die frciwilligen Bciträge
sind, wclche seit der Unglücksnacht dcs Brandes ain
15. August 1867 sich angcsammelt habcn. Mit Ziecht
wirv daher zunächst zur künstlerischcn Ausschmückung
geschritten. Und hier haben wir eine bcdentcnde Leistnng
Steinle's zu vcrzeichncn. Jhm war der Anflrag
geworden, für die Fcuster des Chvres Enlwürfe zu
Glasmalereien zu schaffen, in welchen sowohl die reli-
giöse als auch die historische Bedeutung der Domkirche.
zur Gcltung kämc. Der Künstler hat nun die Ent-
würfc für das übcr dcm Hochaltar befiudlichc Haupt-
fenstcr, sowic für die beiden rcchts und links von dem-
selben befindlichen glcich großcn Scitcnfenster im
Städel'schen Jnstitut ausgestellt, und der Beifall,
welchen sie fiuden, ist ein allgemeiner.

Die Hauptschwierigkeit der Aufgabe lag unstreitig
darin, daß in Jnhalt und Form der Lildlichcn Dar-
stellung der Charakter der umgebenden Architcktur cin-
gchaltcn würdc, und zur Erfüllung dieser Aufgabc mvchte
wohl kcincr unserer Künstkcr so geeignct sein, wie cs
Steinle vcrmögc seiner ganzen Richtung ist. Daß ihm
die Ausfassnng dcs Jnhaltes gelungcn sei, das dürfte
außer Frage stehen. Dagegen bchaupten machc Stim-
men, der in den Formen hcrvortretende Stil sci nichl
strenge gcnug. Wir möchteu aber hicrgegen gcltend
machen, daß jede archaistische Darstclltingswcise um so
leichter manieristisch wird, je mehr sie sich bestrcbt, treu
zu sein und je mehr sie dahcr die Jndividnalität uud
die dieser cutspringcnde sclbstäudige Art, die Dingc zu
sehen nnd darzustclleu, nnterdrückt; sodann abcr, daß
unser modernes Auge in Folge der reichcn nnd frcicn
Formenentwicklung in der bildcnden Kunst, deren höchste
Blüthe so viel später als die Blüthe dcr Gothik fällt,
viel cmpfindlicher gegen die Strcnge der bildcnden Formen
als gegen die der architektonischen ist. Währcnd wir
diese lctztere als bercchtigt ansehen, gcstchen wir den
ersteren diese Berechtigung nur in dem Falle zu, daß
sie wirklich Originalen aus jencr Zcit angehören; so-
bald sie uns aber als moderne Schöpfungen entgegen-
treten, möchten wir nicht ganz auf die größere Formen-
gebnng, nicht ganz anf den leichtereu nnd gcfälligeren
Zug der Linien verzichten, durch dessen Vorhandensein
wir um so empfänglicher für die Bedeulung des Än-
haltes wcrdcn. Gehört doch auch dazu schou ciue nicht
geringe Kraft der Losreißung von all deu uns bcwcgcn-
den moderncu Ideen, die ihre Berechtigung uicht miuder
als die mitteralterlichen haben, und die sich unwillkür-
lich vordrängen, sobald wir dem mittelaltcrlich empfmi-
dencu Werkc des moderuen Küustlers gegenüberstchcn,
die uus aber weit weniger dcm Originalwcrkc jcncr
 
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