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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Petersen, Friedr. Carl: Der Salon, [6]
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Neue Erwerbungen des Berliner Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.4816#0372

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739

Neue Erwerbungeu des Berliuer Musemus.

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ihm mit Entrüstung vorhalten. Die Gesichtszüge
seines Nazarcners sind den übrigen Körpertheilen ziem-
lich adäguat.

Mariä Heimsuchung, den Besuch der Maria bei
Elisabeth, illustrirte Jules Joseph Meynier. Die
beiden edlen Frauengestalten in der schönen faltenreichen
Gewandung: Elisabcth anf der Hanstreppe, Maria die
Treppe hinansteigend, sind wahre Bilder biblischer An-
muth. Die milde, zarte Färbnng stimmt zu dem Auf-
tritte auf's Beste.

Ohne uns lange bei dem Gcnrebilde aufzuhalten,
in welchem Hugues Martiu mit einer römischen
Laudschaft und zahlreichen, zmn Theil recht interessanten
Figuren den erfolgten und nnter Bcdeckung nach Rom
gebrachten Paulus verherrlicht, schenken wir musternd
Alexandre Cabanel's „Johannes dem Täufer"
einen Blick. Der Meistcr veranschaulichte das Moment
der ersten religiöscn Verzückung des Jünglings in der
Wüste. Johanncs hat sich auf eincn Steiu niedergc-
lassen und sitzt, gleichsam zusammcngesunken, mit ver-
schränkten Füßen, mit dem ragenden Krcuzstab zwischen
den seitwärts gefaltet erhobenen Händen, das Haupt
mit dem wirren Schwarzhaar leicht an die Steinwand
lehnend und gen Himmel blickcnd da. Jn den großen
schwarzgrauen Augen leuchtet es seltsam, wie ein Licht-
hauch aus den Tiefen der Seele, und in schöner Har-
monie gescllen sich dem Blicke die von ernstem Empfin-
den durchgeistigten Züge. So denken wir uns den
Schäfer, dcn der Dichter draußen auf dem Gvttesraine
in Einsamkeit den Tag des Herrn besingen läßt.
Schauer der Andächt durchrieseln sein Gebein. Cabanel
ist ein Künstler, kcin Kunsthandwerker.

Jm besten Lichte zeigt uns Johann Jakob
Henner aus Bernwciler im Elsaß seine „Magdalene
in der Wüste". Das Bild findet Beachtung und vcr-
dient es. Der Künstler bettete seine Heldin in einer
düsteren Grotte. Die von der Seitc gesehene, in blauer
Schooßgcwandung an der Erde ruhende, rücklings an
die schräg anstcigcnde Fclswand gelehnt schlummernde
Jungfrau mit den gefaltet im Schooße ruhenden Hän-
den, der entfesselt herabhangendcn lichtblonden Haar-
fülle, dem entblößten Busen und dem frischen Antlitz
ist in fester, kcrniger, gesunder Malerei dargestellt, und
Henner würde mit der Figur, was das Nackte anbe-
trifft, den ungeschmälerten Beifall der Kritik erzielt
haben, hätte diese nicht daran eine scheinbar von der
Lage bedingte gewisse fatale Brust- und Nackensteife zu
konstatiren. Zudeni erfuhr der Seelenzustand der Schlum-
meruden in den Zügen kcineswegs die gebührende Wür-
digung. Henner's Magdalene sieht aus wie eine ver-
kleidete Alsatia. Das Gesicht gehört unzweifelhaft eiuer
Elsässerin an. — Jn dem andern Bibelbilde, welches
Henner ausstellte, verwerthete er das Gleichniß vom

barmherzigen Samariter. Das ist ein vortreffliches
Bild. Das Antlitz des neben dcm Verletzten an der
Erde hockenden, theilnehnicnd den Puls Lefragenden
Graubarts erlcuchtet und vcrschönt das wahre Seelen-
licht der Barmherzigkeit, des göttlichen Mitleids.

Einen hünenhaften Paulus in Grün und Roth,
der, lässig den linken Arm ausstreckend, das entblößte
Schwert an die rechte Brustseite drückend, einsam da-
steht, malte Henri Jules de Signon, ein Künstler,
der den großcn Geschichtsstil mit Vorliebe zu kultiviren
scheint und gute Charakterköpfe entwirft.

Victor Kasimir Zier schuf einen flügellos
gen Himmel fliegenden verzückten Paulus, gerieth dabei
aber in punato des Hauptes in das breite Geleise der
Hausbackenheit und förderte ein erschrecklich armseliges
Krämergesicht zu Tage.

Friedr. Carl Peterssen.

Rene Erwerbungen des Serliner Museums.

Den großartigen, in den Annalen unseres
Kunst-Jnstitutes Epoche machenden Ankauf dcr Suer-
mondt'schen Sammlung alter Gemälde, dereu Besprechung
sie in Jhren Blättern bereits einen wciten Naum ver-
gönnt haben, hat Jhr Leserkreis bereits erfahren. Die
vorzüglichsten Perlen unter dcn erworbenen Gemälden
sind bereits in einer besonderen Ausstcllung im Oberlicht-
saale des Museums dem Publikum zugänglich gemacht,
und der Eindruck ist auch auf Laien ein so überwältigen-
der, daß-sich überall nur eine Stimme der Bewun-
derung änßert.

Auch die anderen Abtheilungen des Museums haben
inzwischcn erhebliche Bereicherungen ihrer Schätze er-
fahrcn; so sind aus Kleinasien merkwürdige Skulpturen
angelangt, ein Abguß der berühmten, bis jctzt noch
nicht veröffentlichten altdeutschen Skulpturen der Kreuz-
kirche in Wechselburg besorgt worden; Prof. Curtius
brachte aus Athen unter verschiedcnen anderen antiken
Knnstsachen mehrere kleine Figürchen aus Terracotta,
die theils Spurcn von Farben, theils fast ganz erhaltene
zarte Uebermalung an sich tragen. Man kann sich
nichts Reizenderes denken, als dicse nur etwa 20 Centim-
hohen, vollkommen gut crhaltenen nnd künstlerisch
vollendctcn Gegenstände vom Nipptisch irgend eincr vor-
nchmen griechischcn Dame, die unscre bcstcn Porzellan-
figuren an Schönheit des Ausdrucks, Schärfe und
Korrektheit der Zeichnung, Eleganz der Gcwandung in
Schatten stcllen. Sie wurdcn in Olympia aufgefunden.

Auch das Kupferstichkäbinet schrcitet rüstig vor-
wärts, seine reichen SLinmlungcn zn mehren und zu
melioriren. Neben vielen Einzelerwerbungen hat das
Kabinet in neuerer Zeit eine Acciuisition erstcr Qualität
gcmacht. Es wurde nämlich das vorzügliche, nahezu
 
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