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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Die Berliner Akademie
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Die Berliner Akademie.

der Sekretär und zwci Negicrungsassessoren. Die
übrigen Mitglieder bestehen aus Künstlern (auch Mu-
sikern) von mehr odcr weniger Ruf und sind sämmtlich
auf Lebenszeit ernannt. Diese Senatoren brauchen
keineswegs Docenten der Anstalt zu sein, und während
in dcr Praxis das Lehrerpersonal in srüherer Zeit stärkcr
vertreten war, sieht es sich neuerdings mehr und mehr
von der Verwaltung ausgcschlossen. Dadurch wird der
Senat den wahrcn Bcdürfnisscn dcs Jnstitutes inimer
mehr cntfremdet, die er überhaupt meist nur indirekt aus
dcn Borträgen seines Vorsitzenden keunen lcrnt. Letzterer
rust ihn nach Belieben zusammen, und er ist stimm-
fähig, sobald drei Mitglieder versammelt sind. Vor
sein Forum gehören u. A. die Verhandlungen mit dem
Ministerium, Versetzungen der Studircnden, Preisver-
theilungen, Entscheidungen über Ankäufe zur Bibliothek
u. s. w. Neben den Senatssitzungen und unabhängig
davon sollen dem Statut nach allmonatlich Lehrerkonfe-
rcnzen stattfindcn; diese aber sind seit langer Zeit außer
Uebuug getreten, so daß es heut den Lehrern sehr er-
schwert ist, etwaige Verbesscrungsvorschläge, Forderungen
von Lehrmaterial rc. nachhaltig zum Ausdruck zu brin-
gcn. Es ist wiederholt vorgekommen, daß dem Dirckto-
rium cingereichte Gesuche einzelner Docenten über
nnbcdcutende, abcr dringcnd nöthige Verbesserungcn
Jahre hindurch gar nicht beachtet, nicht einmal beant-
wortet wurdcn.

Der Lehrgang ist offiziell nach dem Anmeldebogen
auf vicr Jahre bcmcsscn, die Durchschnittszeit des aka-
demischen Besuches aber in der That etwa eine drei-
jährigc. Zu allen Zeiten hat es- die Masse dcr Künstler
als ihr glückliches Vorrecht Letrachtct, sich möglichst fern
von allem Gelehrtenthum zu halten. Jn Rücksicht
darauf existirt denn auch an der Akademie keine Norm
für den Grad der unerläßlichen wissenschaftlichen Vor-
bildung des Aufzunehmenden. Gewünscht wird die
Berechtigung zum einjährigen Dienst, also die Bildungs-
stufe der^Sekunda; und es wäre dies in einem Staate
mit allgemeiner Wehrpflicht schon aus höchst praktischen
Gesichtspunkten selbst eine nur berechtigte Forderung.
dlicht selten aber habcn cs die „Stndirenden" nur bis
zur Quinta oder Quarta gebracht. Wenn nun auch
erst das 15. bis 17. Lebensjahr die gewvhnliche Zcit
dcr Aufnahme ist, so bleibt bei so geringer Schulbil-
dung selbstverständlich der wissenschaftliche Unterricht oft
genug ohne jeden Erfolg. Das ist in erstcr Linie bei
den mathematischcn Kurscn (Projektion, Schattenkon-
struktion und Perspektive) der Fall.

Nach abgelcgter Prüfung sciner manucllen Geschick-
lichkeit kommt der Schüler zunächst in die Vorbereitnngs-
klasse, in welcher nach Gypsvorlagen gezeichnct wird;
nebenher geht der Unterricht in der Perspektive, der
Anatomie und der Kunstgeschichte. Der Kursus der

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letztercn Disciplin ist selbstvcrständlich von längerer
Dauer, wenn ich nicht irre, zwcijährig. Das zweite
Semcstcr bringt neben densclbcn Gegenständen noch dcn
Unterricht im Thier- und Landschaftszeichnen; letzterer
nicht obligatorisch. Zm dritten Halbjahr folgt das
Zeichncn nach dcr Antike sowie die Kompositionslehrc,
im vierten der Unterricht im Malen (II. Abtheilungy
in Studien nach der Natur (Porträts) oder nach Vor-
bildern bestehend. Jn allerneuester Zeit ist auf wieder-
holtes Drängen der Docenten der Modellapparat dieser
Klasse durch einige Pariser Aktstudien vermchrt worden-
Vom fünften Semester an steht nach Absolvirung der
Vorstufen der Eintritt in den sogenannten Aktsaal,
d. h. das Zeichnen und Modelliren nach dem lebenden
Modell frei. Dieser Unterricht gcht durch zwei Jahre
fort; es tritt nur noch die erste Abthcilung der Mal-
klasse hinzu, in der die Schüler selbständige Kompo-
sitionen unter Aufficht ihres Lehrers ausführen. Für
diesen wichtigsten Kursus, in bem der Akadcmiker
recht eigcntlich das Erlernbare seiner Kunst, das Hand-'
werk derselben sich aneigncn soll, genügt freilich die
kurze Zeit von drei Semestern, in denen der Gegcn-
stand nnr einen Lehrgang unter anderen ausmacht,
nicht. Auch fehlt es ganz an irgcnd wclchem Eingehen
auf dic bestimmte Richtung des Schülers, je nachdem
derselbe sich der Landschafts-, Thier-, Genrcmalcrei
widmet. Alle Tüchtigkcit des Docenten kann hier den
Mangel ini System nicht gut machen. So kommt cs
denu, daß die tcchnische Ausbildung selbst der prämiirten
Schüler oft eine erstaunlich geringe ist, sobald sie nur
auf den akademischen Unterricht angcwiesen sind, und
nicht ctwa im Atelier des Vaters oder eines befrcun-
detcn Künstlers eine eigcnc gründliche Schule durchmachen.

Dies in großen Zügen der Bildungsgang der
Maler!

Günstiger stehen die Bildhauer da, bei deren Aus-
bildung in der cinmal angenommenen Praxis viel mehr
Werth auf die Arbeit im Atelier gelegt wird, wo sie
erst Aufgaben, dann sclbstgewählte Kompositionen unter
Kontrolle des Docenten ausführen. Allerdings wird
auch von ihnen gefordert, daß sie nächst der Vorberei-
tungs- auch dic Gypsklasse (Zeichnungcn nach dcr Antike)
durchmachen, um später Zutritt zum Aktsaal zu er-
laugcn. Es fanden in diescr Bezichung öfter Diffcrenzen
zwischen dem Leiter der Bildhauerwerkstatt und dein
Direktor statt, indem der erstere Schülcr von sich als
rcif für deu Aktsaal erklärte, während der letztere den
Besuch der von ihm geleiteten Gypsklasse als nothwen-
dige Vorbedingung hierzu forderte. — Achnlich wie f>ir
die Bildhauer hat sich dcr Lehrgang dcr Knpferstecher
und Xylographen durch die Gewohnheit cutwickelt; auch
sie bilden sich in besonderen Ateliers unter angestcllteu
Meistern. Die Mufiker interessiren uns hier nicht.
 
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