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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Kleine Mitteilungen
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KLEINE MITTEILUNGEN

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hin gehört wurde, Beifall und Widerspruch erweckte.
Der Grundgedanke seiner Schrift, »dass die Basis der
heute vorherrschenden Anschauungen über die Bau-
kunst verschoben werden und die Erkenntnis durch-
greifen muss, dass der einzige Ausgangspunkt unseres
künstlerischen Schaffens nur das moderne Leben sein
kann.« Dieser Grundgedanke ist an sich ja unan-
fechtbar, aber durch so manche befremdende, dunkle
und provozierende Wendungen in der weiteren Be-
weisführung stachelte Wagner nicht nur die Anhänger
der älteren Richtung, sondern auch manche Für-
sprecher moderner Anschauung zu Entgegnungen
an und es entfaltete sich ein etwas wildes Streiten
und Plänkeln in jenem Zeitpunkt, da die Wiener
Kunst sich zu einer scharfen Biegung anschickte.
Auch für akademische Doktorfragen unter den Zunft-
genossen gab das Wagner'sche Buch reichlichen An-
lass, so entstand eine etwas hochtrabend theoretische
Entgegnungsschrift des polemisch veranlagten Wallot-
Schülers R. Streiter, gegen deren verzwickte Theoreme
im Grunde noch mehr Einwendungen zu machen
waren als gegen Wagner's präzis hingehauene Ge-
danken. Nun aber, da die zweite Auflage seiner
Schrift erscheint, steht Wagner als Sieger auf dem
Plan und mit ihm die von ihm verfochtene moderne
Wiener Kunst, die sich in den letzten drei Jahren
mit so heissblütigem Temperament der Hegemonie
in der Donau-Metropole bemächtigt hat. Das kon-
statiert Wagner mit einem triumphierenden Wohlge-
fühl. Er sagt: Durch den Vorstoss der Modernen
hat die Tradition den wahren Wert erhalten und
ihren Überwert verloren, die Archäologie ist zu einer
Hilfswissenschaft der Kunst herabgesunken und wird
es hoffentlich immer bleiben. Nicht alles was mo-
dern ist, ist schön, wohl aber muss unser Empfinden
uns dahin weisen, dass wirklich Schönes heute nur
modern sein kann. Wie gesagt, die Bedeutung der
Wagner'schen Abhandlung liegt darin, dass sich in
ihr der Geist der heute massgebenden Kunst getreu-
lich wiederspiegelt. —x.

M. Meurer: Die Ursprangsformen des griechischen
Akanthusornamentes and ihre natürlichen Vorbilder.
Mit 54. Illustrationen. Berlin, Verlag von G. Reimer.
In der Reihe der berühmten und grundlegenden
Untersuchungen Prof. Meurer's über die Entstehung
einzelner Typen des überlieferten Ornamentes aus
pflanzlichen Gebilden und anderen Formen der Er-
scheinungswelt steht die Untersuchung der Ursprungs-
formen des griechischen Akanthusornamentes an erster
Stelle. Es ist begreiflich, dass Meurer gerade mit
diesem Typus begann, der in der Weltgeschichte der
Kunst eine so glänzende Rolle gespielt hat und immer
noch spielt. Die eingehende Vergleichung der natür-
lichen und ornamentalen Formen ist dazu geeignet,
auf den eminent künstlerischen Gehalt der Natur-
formen aufmerksam zu machen und darin bietet sich
ein wesentliches Mittel, das äusserliche Kopieren der
überlieferten Formen zu verhüten und das selbständige
und daher echt künstlerische Studium der Natur an-
zuregen. Die geniale Untersuchungsmethode Meurer's,

der auf klassischem Boden das ganze Bereich der
antiken Monumente wie die wechselnden und stark
variierenden Erscheinungsformen der Akanthusstaude
beherrscht, ist zu so schlagenden Ergebnissen gelangt,
dass die langandauernden Untersuchungen nunmehr
mit einem Schlage als völlig abgeschlossen zu betrach-
ten sind. Meurer weist zuerst nach, dass das Akan-
thusornament sich nicht aus dem üppig gestalteten
Laubblatt besagter Pflanze, sondern aus den mehr
rudimentären Stützblättern und weiter aus den Hoch-
blättern des Blütenstandes, aus der knospenartigen
Blüten-Aehre, also aus dem unscheinbarsten Teil der
stacheligen Staude entwickelt hat. Dafür sprechen
die ältesten Denkmäler mit schüchternen Akanthus-
formen, die Grabstelen aus der Mitte des 5. Jahr-
hunderts v. Chr. Seit daher datiert das Ornament,
es ist also bedeutend jünger als die Palmette. Dass
es sich zuerst als Stelenkrönung findet, kommt wohl
daher, dass die Pflanze im Totenkultus eine Rolle

Entwurf zu einer Glas-Kanne mit Silber- oder Zinnmontierunfi
von Architekt B. MÖHRING, Berlin.

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