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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Haberfeld, Hugo: Der Bildhauer Franz Metzner
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0097

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DER BILDHAUER FRANZ METZNER

Von Huoo Habkrfei.d-Wipn

I.

D

AS Kunstschaffen der Völker läßt sich in zwei Arten trennen:
in das kultische und in das individuelle. Die griechische Plastik
war während eines langen Zeitraumes kultisch. Das heißt: das
ganze Volk schuf sie, nicht der Einzelne. Undifferenziert wie die An-
schauung des Lebens waren die künstlerischen Mittel, den Konven-
tionen der Kunst unterwarf man sich selbstverständlich und still-
schweigend, wie den vererbten Vorstellungen von der Gottheit. Die
Kunst war eine öffentliche Angelegenheit wie die Religion und Politik,
alles Persönliche trat zurück. Solange eine einzige Idee alle gleich-
mäßig umspannt hält, wie in der griechischen Kunst bis Praxiteles, wie
in der Gotik, die der anonyme, in den Bauhütten geformte Ausdruck
des mittelalterlichen Christentums ist, solange herrscht die kultische
Kunst. Erlischt dieser allumfassende Gedanke jedoch, oder zersplittert
er und verbindet sich mit den verschieden gearteten künstlerischen
Sonderexistenzen zu verschiedenartigsten künstlerischen Gebilden, dann
beginnt die individuelle Kunst. Sie währt nun schon seit der Renais-
sance. Wie das Verhältnis zum Leben, sind die Mittel des Ausdrucks
vielfältig geworden. Der Einzelne steht im Vordergrund, seine be-
sondere Art, die niemand anderer teilt, durch die er sich von der
Gesamtheit unterscheidet, sie gerade verleiht ihm den Wert. Der
Künstler entfernte sich aus dem Schutze des sozialen Verbandes und
ist fortan den glücklichen, öfter noch den tragischen Möglichkeiten
seines Berufes leicht ausgesetzt. Neben ihn, den einzelnen Schöpfer,
trat als einzelner Auftraggeber der Mäcen. Im Laufe der Jahrhunderte
wird es stets einsamer um den Künstler, der sich immer fanatischer
gegen die Gruppen der anderen Schaffenden und gegen die Gesell-
schaft der Genießer abgrenzt, sich immer leidenschaftlicher in seine
Persönlichkeit versenkt, um sie bis in ihre geheimsten Winkel zu ent-
decken und zu offenbaren. In unseren Tagen hat sich der Konflikt
zwischen dem sich mit Gefährdung seiner materiellen Existenz selbst-
herrlich auslebenden Künstler und seiner Umwelt so tragisch zugespitzt,
daß eines wahrhaft genialen Künstlers Laufbahn zumeist ein Leidens-
weg ist, dessen Stationen die einzelnen Werke bedeuten, weil jedes von
ihnen in dem Augenblicke, da es den schützenden Bezirk des Ateliers
verläßt, angegriffen, verhöhnt, wenn nicht gar besudelt wird.

Es ist natürlich, daß sich auch die Künste selbst in den beiden
Epochen verschieden entwickelten. Die griechischen Tempel und goti-
schen Kathedralen waren Riesenschöpfungen nationaler Kräfte und Sehnsüchte, die in wunderbar geheim-
nisvoller Ordnung ihr Gewaltiges durch die Architektur, ihr Pathetisches durch die Plastik, ihr Liebliches
durch die Malkunst zu formen wußten. Dieser strenge Zusammenhang der Künste wurde niemals gelöst,
von der Architektur bekamen Plastik und Malerei mit neuen Aufgaben stets neue Kraft. Seit der Renaissance
ist es auch hier anders geworden. Die monumentale Freske wurde vom kleinen Staffeleibild verdrängt und
die Malerei dadurch um ihr fruchtbarstes Arbeitsfeld gebracht. Auf sich allein gestellt, schuf sie jedoch
eine Welt unaussprechlicher Schönheit, gelangte im Tafelbild zu einer Verfeinerung der Probleme und Mittel,
die der Freskomalerei niemals gelungen wäre. Verderblich wurde dagegen der Plastik die Trennung von
der Architektur. Sie suchte und erfüllte nicht der Malerei gleich die neuen Gesetze ihres Sonderdaseins und
schaltete sich dadurch aus dem großen Entwickelungsstrom aus. Etwas Entfremdetes, Kaltes schlich sich
in die allgemeine Vorstellung von der Plastik, der Durchschnitt ihrer Leistungen sank immer tiefer. In-
zwischen wurden auf dem Gebiete der Malerei die siegreichen Kämpfe um die neue Kunt geschlagen,
die schließlich zum Impressionismus gelangte, den unsere Zeit ohne Überhebung neben die Errungen-
schaften der vergangenen stellen darf. Und wie um die Niederlage der Plastik gegen die Malerei vollends
zu besiegeln, kam das Genie Rodins, trug die impressionistische, der plastischen gerade entgegengesetzte
Anschauung auch in die Bildhauerei, die damit die letzte Erinnerung an die mütterliche Architektur abstreifte.
Man kann die Kunst Franz Metzners nicht prägnanter als durch die Konstatierung charakterisieren,
daß er entgegen der ganzen, hier eben skizzierten Entwicklung der Künste im allgemeinen und der

Kunstgewcrbeblatt. N. F. XVIII. H. 5 ,3

Relief für einen Berliner Monumentalbau
 
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