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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0176

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168

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU



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setzlichen Bestimmungen, die
die Rechte des Urhebers regeln.
Der Urheber hat die ausschließ-
liche Befugnis, das Werk zu
vervielfältigen, gewerbsmäßig
zu verbreiten und gewerbsmäßig
mittels mechanischer oder op-
tischer Einrichtungen vorzufüh-
ren. Als Vervielfältigung gilt
auch die Nachbildung, bei Bau-
werken und Entwürfen für Bau-
werke auch das Nachbauen.
Ein jeder darf jedoch das Werk
in der Weise benutzen, daß
eine neue »eigentümliche Schöp-
fung^ hervorgerufen wird. Diese
Bestimmung, so einfach sie
lautet, wird zu vielen Streitig-
keiten Veranlassung geben. Wo
fängt die individuelle Schöpfung
an ? Die Frage wird gleich schwer
für den zur Entscheidung beru-
fenen Richter zu beantworten
sein wie für den von ihm zu
Rate gezogenen Sachverstän-
digen. Herr Professor Oster-
rieth behandelt in dem oben

erwähnten Aufsatz eingehend die Frage: »Wie ist im ein-
zelnen Falle die individuelle Schöpfung zu erkennen und
abzugrenzen?« Es wird lange Zeit dauern, bis sich fest-
stehende Regeln für die Sachverständigen und eine einheit-
liche Praxis der deutschen Gerichte herausgebildet hat.

Der Richter wird sich allerdings wohl in den meisten
Fällen auf das Gutachten der Sachverständigen gerade in
dieser Frage verlassen müssen, wie überhaupt in allen
übrigen Teilen des Gesetzes bei den richterlichen Ent-
scheidungen die Einholung von sachverständigen Gut-
achten sich kaum wird umgehen lassen. Und hiermit hat
auch das Gesetz gerechnet. Für sämtliche Bundesstaaten
sollen Sachverständigenkammern eingerichtet werden, die
verpflichtet sind, auf Erfordern der Gerichte und der Staats-
anwaltschaften Gutachten über die an sie gerichteten Fragen
abzugeben. Diese Sachverständigenkammern sind zugleich
auf Anrufen der Beteiligten befugt, als Schiedsrichter zu
walten. Die Bestimmungen über die Zusammensetzung
und den Geschäftsbetrieb, die der Reichskanzler zu erlassen
hat, sind bisher noch nicht bekannt gegeben.

Von dem allgemeinen Verbot der Vervielfältigung macht
dann das Gesetz noch weitgehende Ausnahmen zugunsten
der Allgemeinheit:

Werke, die bereits erschienen oder öffentlich ausgestellt
sind, dürfen in der Weise vervielfältigt und verbreitet
werden, daß sie in eine selbständige wissenschaftliche Arbeit
oder in ein für den Schul- oder Unterrichtsgebrauch be-
stimmtes Schriftwerk ausschließlich zur Erläuterung des In-
halts aufgenommen werden. Natürlich muß die Quelle,
wenn sie auf dem Werke genannt ist, deutlich angegeben
werden. Als Beispiel seien hier nur die Abbildungen von
Werken der bildenden Künste in einer Kunstgeschichte
oder in einem Aufsatze dieser Zeitschrift erwähnt.

Allgemein zulässig ist ferner die Vervielfältigung, Ver-
breitung und Vorführung von solchen Werken, die sich
bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen be-
finden, z. B. Denkmälern, aber nur durch malende oder
zeichnende Kunst und durch Photographie. Es darf also
nicht eine Marmorstatue in Marmor oder in Bronze wieder-
gegeben werden. Bei Bauwerken erstreckt sich diese Er-
laubnis aber nur auf die äußere Ansicht. Änderungen an

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BUCHBINDERMEISTER J. PETZSCH,BRESLAU. SCHREIBMAPPE

dem nachzubildenden Werke dürfen jedoch nicht vorge-
nommen werden. Gestattet sind Übertragungen des Werkes
in eine andere Größe und solche Änderungen, welche das
für die Vervielfältigung angewandte Verfahren mit sich
bringt.

Wenn das Gesetz dem Urheber eines Werkes der
bildenden Künste das ausschließliche Recht zur Verviel-
fältigung verleiht, so gibt es auch Bestimmungen, um den
Urheber gegen eine Verletzung dieses Rechts zu schützen.
Der Urheber ist einmal zivilrechtlich zum Schadenersatz
gegen den berechtigt, der vorsätzlich oder fahrlässig unter
Verletzung der ausschließlichen Befugnis des Urhebers ein
Werk vervielfältigt, gewerbsmäßig verbreitet oder gewerbs-
mäßig mittels mechanischer oder optischer Einrichtungen
vorführt. Ober die Art der Berechnung dieses Schadens,
über die Höhe und die Weise der Feststellung, darüber
können natürlich nur die Umstände des einzelnen Falles
entscheiden. Jedenfalls ist es jetzt nicht mehr nötig, daß
der Kunstgewerbetreibende machtlos zusehen muß, wie
sein ureigenstes Werk, sein geistiges Eigentum, von unbe-
fugter Hand, oft mit großem Gewinn, nachgebildet wird.
Jetzt kann er den wohlverdienten Gewinn für sich verlangen.
Schützend tritt ihm das Gesetz auch mit Strafbestimmungen
zur Seite. Dem Diebe am geistigen Eigentum droht eine
Geldstrafe bis zu 3000 Mark. In dem Strafverfahren kann
der Verletzte neben der eigentlichen Bestrafung noch eine
Buße bis zu 6000 Mark für sich verlangen.

Als fernere Rechtsfolge der Verletzung des Urheber-
rechts kommt schließlich noch die Einziehung und Ver-
nichtung der widerrechtlich hergestellten Nachbildungen
in Betracht. Gegenstand der Vernichtung sind alle Exem-
plare und Vorrichtungen, welche sich im Eigentume von
Personen befinden, die an der Herstellung, der Verbreitung,
der Vorführung oder der Schaustellung beteiligt sind. Die
bereits von anderen, unbeteiligten Personen erworbenen
Nachbildungen unterliegen der Einziehung also nicht. Auf
Bauwerke finden die Bestimmungen über die Vernichtung
überhaupt keine Anwendung.

Das neue Gesetz gewährt also unserem blühenden
Kunsthandwerk einen starken Schutz, den es lange Zeit

hat entbehren müssen. Stadtrat Salim-Magdeburg.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf. G.m.b.H. Leipzig
 
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