Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

DOI article:
Berlage, H. P.: Baukunst und Kleinkunst, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0196

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
188

BAUKUNST UND KLEINKUNST

Dieses Netzwerk dient nun als Umrahmng von
Feldern oder Compartimenten, welche allerhand
Grotesken, Blumenbuketts, Fruchtschnüre usw. ent-
halten.

Es ist dieses Ornament, welches die eigentliche
Verzierung der holländischen Architektur ausmacht,
und daher dem Stil das charakteristisch Nationale
verleiht.

Dieses Ornament war schon 1549 durch van
Aelst verwendet an verschiedenen Triumphpforten, er-
richtet bei Gelegenheit des Besuches von Karl V. und
seinem Sohn Philipp in Antwerpen. Die Stadt war
damals reich geschmückt und mit der ganzen Ver-
zierung wurde van Aelst beauftragt.

Diese Sammlung Ehrenpforten wurden später mit
einer lateinischen Beischrift herausgegeben, mit Grund-
rissen, Werkzeichnungen usw., eine Erläuterung, welche
dazu diente, anzugeben, wie diese temporären Ge-
bäude als feste Gebäude in Holz und Stein aus-
geführt werden konnten.

Derselbe van Aelst war übrigens der Nieder-
ländische Bearbeiter des bekannten Buches über
Architektur des berühmten Baumeisters Serlio.

Von einem gewissen Floris wurde die eigen-
artige Verzierung in einem Buche mit vielen Entwür-
fen propagiert; und sogar schon hierund da monumen-
tal verwendet, z. B. in Dordrecht an dem sogenannten
Krankenhauspförtchen, und später durch den begab-
ten Vredeman de Vries noch weiter entwickelt.

Er ist überhaupt derjenige, welcher mit unerschöpf-
ter Phantasie dieses Ornament schuf, und daraus für
die niederländische Renaissance machte, was die
Groteske für die italienische gewesen ist.

Können wir Rafael und seine Schule vollauf be-
wundern, und geben seine Loggien des Vatikans in
prächtiger Form, nur einen ganz kleinen Teil der ita-
lienischen Dekorationskunst, so können wir die Arbeit
des soeben genannten Künstlers als qualitativ damit
gleichwertig betrachten. Und was für die nieder-
ländische Renaissance ein van Aelst oder Vredeman
de Vries, das war für die deutsche z. B. ein Dieter-
lin, was man sofort sieht, wenn man seine Architektur-
skizzen vergleicht mit nachher ausgeführten Arbeiten.

Es waren also Kleinkünstler und Maler, welche
die neue Kunst in die Welt schafften, und so wird
es wohl, mag denn auch späterhin die Architektur
die führende Rolle nehmen, zu allen Zeiten gegangen
sein. Von dieser Tatsache haben wir in der Architek-
tur vollauf die Beweise und zwar nicht immer die
glücklichsten. Was ist der Fall? Wir wissen doch
alle, wie unmaßgebend schon architektonische Zeich-
nung ist; das heißt wie viel an derselben noch studiert
und revidiert werden muß, bevor man zur Ausführung
gelangen kann. Und je erfahrener die Hand, das
heißt je mehr mit der Praxis vertraut, je weniger da
zu korrigieren ist.

Desto gefährlicher um die Architektur, je freier
man die Hand aufs Papier gehen läßt, weshalb denn
auch die sogenannten künstlerischen Entwürfe, und
zwar von jungen Leuten, die allergefährlichsten, das
heißt am unausführbarsten sind. Unter ausführbar sei
dann natürlich zu verstehen stilgerecht, das heißt einer
logischen klaren Konstruktion gemäß, ohne falsche
oder versteckte Hilfsmittel, und in natürlichem Material
mit seinen besonderen Stilbedingungen. Denn nüchtern
weg»machen« läßt sich leider alles!

Aber wie steht es nun, wenn Maler und Zeichner
sich mit Architektur befassen, und »malerische« Ent-
würfe machen? Da sieht's gewöhnlich am alier-
schlimmsten aus, weil eben an diesen Entwürfen zwar
das Malerische, aber dann im schlechten Sinn, das
heißt nur auf dem Papier gedacht, aber eine logische
konstruktive Lösung eben nicht vorhanden ist, indem
der Maler kein Architekt, nicht das richtige Ver-
ständnis für Architektur hat. Nun waren zwar jene
Meister früherer Jahrhunderte bewanderter als wir
heutzutage, und in den Künsten jedenfalls vielseitiger
gebildet; aber trotzdem läßt sich sogar an den
architektonischen Werken damaliger Zeit klarlegen,
wie weit der Einfluß der Kleinkunst und Malerei
gegangen ist. Am Anfang der Stilperioden sieht man
diesen Einfluß am deutlichsten, weil alsdann, sagen
wir, diese Fehler sich am besten zeigen, während im
Laufe der Stilentwickelung sie natürlich verbessert
und dann allmählich mehr architektural ausgebildet
werden. Es liegen da Beispiele zum Greifen nahe.

(Schluß folgt.)

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., a.m.b.H., Leipzig
 
Annotationen