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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Neues aus dem Alten Weimar
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0010

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NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR

Altes Stadt-
haus an der
Kollegien-
gasse

Nomina odiosa. Als Bei-
spiele für viele sei hingewiesen
auf die ornamentale Verschan-
delung des Hotels »Russischer
Hof« am Karlsplatz, dessen vor-
nehme, feingegliederte Fläche
der Frontfassade leider zu Ver-
zierungen hat herhalten müssen.
Fliegende Fetzen und Fratzen-
geglotze sind des figürlichen
Zierrats Oeprotze. Ganz zu
zerstören, was fein und edel
daran war, das gelang den Ver-
schönerern nicht. Nur einiger-
maßen.

Das an der Ecke errichtete
Postgebäude ist zwar, im Ver-
gleich mit Schlimmerem, eher
erträglich, macht aber doch
einen wenig durchdachten Ein-
druck neben dem langgestreck-
ten, vorzüglich gegliederten
alten Bürgerschulbau der Karl-
August-Schule. Schlimmeres,
weit Schlechteres zeigt uns das monströse neuere
Gymnasium mit seiner Klotzarchitektur, in der Amalien-
straße, und auch das ältere Sophien-Krankenhaus an
der Ecke der Junkerstraße. Dagegen gibt das neu-
gebaute Sophienhaus, mit der Rückseite nach der
Bismarckstraße, sowohl in der Inneneinrichtung wie in
seiner Außenarchitektur eine klarere, sachliche, gefällig
gegliederte Gestaltung. Die ziemlich niedere Be-
dachung stört dabei wenig, weil alles in sich logisch
durchdacht ist. Ein Spaziergang durch die Sophien-
straße liefert noch Abschreckungsbeispiele genug, zur
Rechten wie zur Linken. Da ist gleich am Bahnhof,
Ecke Jubiläumsplatz, Eigentum des Vorschuß- und Spar-
Vereins, ein Sammelsurium verschnörkelter Unsinnig-
keiten vom Jahre
1884 (erbaut von
Eelbo u.Gutmann).
Hingegen zeigen
die Bürgerhäuser
der älteren Stadt-
teile, welche in Wei-
mar durch »quet-
schende Enge« auf-
fallen, die verstän-
dige Wohnweise
unserer Großväter.
Die hatten nämlich
noch einen Wohn-
stil. Welchen? Den
ihren täglichen Be-
dürfnissen genau
angemessenen. Wie
diese langgestreck-
ten Wohnhäuser zu
den behaglich breit
angelegten Außen-
straßen stimmen,

Bühnenhaus

des alten
Hoftheaters

beispielsweise in der Marienstraße, Ackerwand, Herder-
platz, Schwanseestraße, am Graben, oder am Markte,
das erkennt man beim ersten Vorübergehen. In der
inneren Stadt malerisch mit alten Höfen und Gärten
gruppiert, scheinen sie so natürlich aus dem Boden
gewachsen, als könnte es anders hier nicht sein.

An den auslaufenden Straßen der Stadt gewöhn-
lich nur ein bis zwei Stockwerke hoch, zeigen Doppel-
häuser dieser Art zwei eingebaute Eingänge in der
Mitte, welche durch die Außenmauern vor Wind und
Wetter geschützt liegen. Hin und wieder einfache
Messingdrücker an
den Türen, sparsame
Ziermotive, meist
demEmpire entlehnt,
niemals überladen.
Das alte Froriepsche
Haus mit seinem
baumreichen Garten
undTeich zähltwohl
zu den besten dieser
Art. Daß unsere Ur-
großväter vernünf-
tiger bauen konnten,
als unsere Eltern,
und daß wir Heu-
tigen von der so-
genannten Bieder-
meierzeit und der
voraufgehenden Pe-
riode (auch vor der
französischen Revo-
lution) noch man-
ches lernen und an-
wenden können in
bezug auf schlichte
Zweckmäßigkeit,

1*

Hofmanns
Kaffeehaus
Teichgasse
 
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