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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Lux, Joseph August: Die Anfänge der modernen Bewegung rund um Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0069

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DIE ANFANGE DER MODERNEN BEWEGUNG
RUND UM DEUTSCHLAND

Von Joseph Auo. Lux, Dresden.

PAN hieß die Zeitschrift, die seit 1895 die
geistige Bewegung in den Jahren vor dem
Erwachen des Kunstgewerbes einleitete und
das Erscheinen der Modernen vorbereiten half. Das
Programm, das die Sezessionen verwirklichten, hatte
der »Pan« vorgebildet. Von Meier-Graefe, dem
unruhigen Entdeckungsreisenden im Kunstland be-
gründet, hielt der Pan fleißig Umschau nach allen
modernen Regungen, die freilich der Hauptsache nach
in der Literatur, in der Plastik und in der Malerei
behorcht wurden. Es entsprach Meier-Oraefes inter-
nationaler Beweglichkeit vorzüglich, die Vorgänge im
Ausland wahrzunehmen, aus denen Deutschland An-
regungen schöpfen konnte. Das hatte sein Gutes,
denn überall im zivilisierten Ausland hatte es sich
früher geregt. Deutschland trat zuletzt in die
moderne Bewegung ein, wenngleich dann mit nie
und nirgend gesehener Intensität. Daß sich der mo-
derne Gedanke in Deutschland mit solcher Heftigkeit
verbreitete, ist dem Pan zu danken, der in den Jahren
vor dem Ausbruch der künstlerischen Revolution die
Seelen für den zündenden Gedanken empfänglich ge-
macht hatte. Meier-Graefe, unheimlich gewandt, und
mit feinem Geruch begabt, Ästhetiker, Literat, Liebhaber
und Geschäftsmann in einem, folgte seinen Instinkten.
Er halte in den Zeiten der Gärung eine Mission zu
erfüllen. Er glich einem geschickten Perlenfischer, der,
so oft er in die Tiefe taucht, etwas Glänzendes, Kost-
bares in die Höhe bringt. Was ihm auf seinen Ent-
deckungsfahrten oder Eroberungszügen in den Wurf
kam, hielt er fest, und es ist sein Verdienst, daß er
Viele, die einsam und in Dunkelheit standen, damals
ans Licht gezogen hat. Wenn es nach ihm gegangen
wäre, hätte er schon damals in Berlin die »Maison
moderne« gegründet, eine Art modernes Kaufhaus, wie
er es tatsächlich einige Jahre später in Paris getan,
wo bereits ein anderer, Herr S. Bing, vor ihm,
als Japanliebhaber bekannt, ein modernes kunstgewerb-
liches Kaufhaus, die »Art nouveau«, eröffnet und der
modernen Bewegung unmittelbar vor dein Eintritt in
Deutschland als erster Stützpunkt gedient hatte. Meier-
Graefe kam mit seinem geschäftlichen Unternehmen
in Paris zu spät. Die Schlacht war im Oktober 1896
bei Bing geschlagen und selbst dieser Sieg war keine
Eroberung. Auch S. Bing hatte eine Mission, die
nicht auf dem Gebiet der geschäftlichen Erfolge lag.
Bings moderne Ausstellung im Oktober 1896 war
das erste Lebenszeichen der modernen kunstgewerb-
lichen Bewegung, die gerade den Umweg über Paris

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nehmen mußte, vielleicht weil damals noch Deutschland
gewohnt war, jede Anregung von dorther zu empfangen.
Aber während die moderne kunstgewerbliche Be-
wegung in Deutschland zu nationaler Bedeutung em-
porwuchs, hatte sie in Frankreich nur den vorüber-
gehenden Bestand einer Mode, die mit den nationalen
Voraussetzungen der Franzosen nicht verschmelzen
konnte. Daraus erklärt sich der nachmalige geschäft-
liche Mißerfolg beider Unternehmen, während ähn-
liche Gründungen in Berlin bestehen konnten. Viel-
leicht war es dieser internationale Händlerinstinkt, der
Meier-Graefe mit den anderen Mitgliedern der Pan-
Genossenschaft in Zwiespalt brachte, und infolgedessen
Meier-Graefe schon im ersten Jahr von dem Pan-
Unternehmen zurücktrat. Denn im Pan hatte sich
gleichzeitig mit dem von Meier-Graefe vertretenen
internationalen Grundzug eine ausgesprochene Richtung
zur Hebung der nationalen Kultur entwickelt, die von
der Beobachtung und Prüfung des heimischen Lebens
ausging. Kurzum, der Pan hatte die Aufgabe, ein
deutsches Kunstblatt zu werden. Die Gefahr, nur er-
lesene Kost für einige Feinschmecker zu bieten und
darüber eine notwendige nationale Kulturarbeit zu
versäumen, wurde früh genug erkannt und vermieden.
Der Pan sollte kein internationales Organ werden,
das von Japan, New York und allen Kulturzentren
Europas das beste, was in Kunst und Literatur jähr-
lich entsteht, zusammenfassen will. Das schien als
ein Ding der Unmöglichkeit. Das Gebiet war zu
groß und das Bedürfnis nach einem internationalen
Organ zu gering. Es hätte Kunsthändlerinteressen,
nicht aber Volksinteressen pflegen können. Der Pan
wollte fleißig Umschau halten, er wollte die Lehren
des Auslands im nationalen Geist verwerten, aber er
wollte Deutschland nicht mit internationaler Kunst
überschwemmen, indem er selbst ein internationales
Kunstblatt würde. Er wollte vielmehr in Deutschland
die Selbständigkeit in kulturellen Dingen wahren und
entwickeln und den besten Nährboden der Kunst, die
Pflege der Heimat, der Eigenart und der Tradition
fördern. Die lokalen Produktionen sollten auf diese
Art künstlerisch erstarken und erhöhte Wertschätzung
der Gebildeten gewinnen. Gerade die bodenständige
künstlerische Entfaltung sollte dahin führen, daß der
unleidige Partikularismus in Deutschland vermindert
werde. Die Dezentralisierung der Kunst ist die Lösung
in Deutschland. Es sollte nicht vergessen werden,
daß auch hinter dem Berg noch Leute wohnen. Tat-
sächlich haben bis auf den heutigen Tag die Ge-

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