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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0063

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

VORSCHLAG ZU EINFR GEBÜHRENORDNUNG
EUR DAS KUNSTGEWERBE

Die deutschen Architekten und Ingenieure berechnen
ihre Honorare nach einer Gebührenordnung, den deut-
schen Kunstgewerbetreibenden fehlte aber bisher eine
solche Grundlage. Der Verband deutscher Kunstgewerbe-
vereine, dessen Vorort zurzeit der Verein für Deutsches
Kunstgewerbe in Berlin ist, hat daher auf Antrag dieses
Vorortes eine Gebührenordnung für das Kunstgewerbe
vorbereitet. Ein vom Delegiertentage des Verbandes ge-
wählter Ausschuß hat den Entwurf in Eisej.ach beraten
und so ausgestaltet, daß er jetzt allen 17600 Mitgliedern
des Verbandes zur Prüfung zugehen kann. Der nächste
Delegiertentag des Verbandes Deutscher Kunstgewerbe-
vereine, der im Frühjahr 1908 in Hannover zusammentritt,
soll dann über die Einführung dieser »Eisenacher Ordnung«
beschließen. Das wichtigste dieser vorgeschlagenen Ge-
bührenordnung, die wohl noch innerhalb der Vereine eine
lebhafte Erörterung finden wird, ist in folgendem enthalten:

<§ 1. Entwurf und Anschlag

Als Entwurf eines kunstgewerblichen Erzeugnisses im
Sinne dieser Gebührenordnung gilt jede Zeichnung und
jedes Modell, sofern sie so gehalten sind, daß danach ein
Sachkundiger das zur Ausführung des Werkes Erforder-
liche vornehmen kann. Als Zeichnung gilt jede flächen-
bildliche Darstellung.

Im Sinne dieser Gebührenordnung wird jede schrift-
liche Aufstellung, in der die Gesamtkosten einer kunst-
gewerblichen Arbeit in Einzelposten angegeben werden,
als Anschlag betrachtet.

§ 2. Unverlangte Entwürfe und Anschläge

Unverlangt eingereichte oder freiwillig angebotene
Entwürfe und Anschläge sind nicht gebührenpflichtig. Sie
werden es aber, sobald sie vom Empfänger genehmigt
oder auch nur auf seinen Wunsch abgeändert werden.

§ 3. Art der Entschädigung
Die Unterlage aller Entschädigungen für Entwürfe
und Anschläge bildet die Grundgebühr nach Maßgabe der
für die einzelnen Gruppen kunstgewerblicher Erzeugnisse
im Anhange dieser Gebührenordnung aufgestellten Regeln
und Sätze. Die Grundgebühr kommt entweder als Vor-,
Werk- und Wiedergebühr, oder als Pauschgebühr in Be-
rechnung. Nur wenn keine dieser Berechnungen möglich
ist, tritt die Entschädigung nach Zeitgebühr ein.

§ 4. Umfang der Entschädigung
Für Entwürfe, die von Anschlägen begleitet sind, ist
stets die volle Höhe der Gebühren zuständig. Ebenso
können für Entwürfe ohne Anschläge die vollen Gebühren
berechnet werden. Dagegen darf die Entschädigung für
Anschläge allein nur bis zu einem Fünftel der Gebühren
gehen.

§ 5. Grundgebühr

Die Grundgebühr bemißt sich stets nach Hundert-
teilen (Prozenten) des Verkaufspreises an Hand des Tarifes.

§ 6. Vorgebühr
Die Vorgebühr beträgt mindestens das Einfache der
Grundgebühr; sie findet Anwendung auf Vorentwürfe und
Voranschläge, die bestimmt sind, Art, Umfang und Preis
eines Auftrages festzulegen.

§ 7. Werkgebühr
Die Werkgebühr beträgt mindestens das Einfache der
Grundgebühr; sie findet Anwendung auf Werkzeichnungen
und Arbeitsmodelle, die bestimmt sind, der Ausführung
der Arbeit unmittelbar zu dienen.

§ 8. Wiedergebühr
Die Wiedergebühr beträgt mindestens das Einfache
der Grundgebühr; sie findet Anwendung auf die erste bis
einschließlich zehnte Wiederholung des Werkes; nicht aber
auf weitere Wiederholungen.

§ 9. Pauschgebühr.

An Stelle der Vor-, Werk- und Wiedergebühr kann die
Pauschgebühr treten. Sie unterliegt der freien Verein-
barung und kann in Form einer einmaligen Entschädigung
oder in Form eines Anteiles am Verkaufspreise gewährt
werden.

§ 10. Zeitgebühr

Die Zeitgebühr (§ 3) wird nach der Zahl der aufge-
wendeten Arbeitsstunden berechnet. Für die erste Arbeits-
stunde kann ein Betrag bis zu zwanzig Mark, für jede
weitere ein Betrag bis zu fünf Mark in Ansatz gebracht
werden. Für Hilfsarbeiter können die Arbeitsstunden, aber
ohne Erhöhung der ersten, mit Beträgen bis zu drei Mark
für die Stunde angesetzt werden. — Angefangene Stunden
gelten als voll.

§ 11. Schiedsgericht
Streitigkeiten aus dieser Gebührenordnung unterliegen
zunächst einem Schiedsgericht, zu dem jede Partei einen
Beisitzer ernennt. Diese wählen einen Dritten als Ob-
mann. Die Schiedsrichter haben Anspruch auf Entschädi-
gung nach Zeitgebühr (§ 3).

§ 12. Fälligkeit der Gebühren
Die Gebühren sind mit mindestens zwei Dritteilen bei
Ablieferung der Entwürfe und Anschläge fällig, der Rest
spätestens nach Ablauf von drei Monaten.

§ 13. Besondere Gebühren
Für Reisen, Beaufsichtigung von Arbeiten und sonstige
in dieser Gebührenordnung nicht besonders erwähnte
Arbeiten kommt die Zeitgebühr (§ 9) in Anrechnung. Die
erste Stunde wird nicht erhöht, der Tag mit nicht mehr
als dreißig Mark berechnet. Diese Gebühren sind ein-
schließlich der Auslagen für Fahrten, Gepäckbeförderung
und Hilfskräfte sofort fällig.
 
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