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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Die württembergische Bauausstellung Stuttgart 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0242

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DIE WÜRTTEMBERGISCHE BAUAUSSTELLUNG STUTTGART 1908

EINE Überraschung war es für alle Nicht-Württem-
berger, als plötzlich Anfang Juni auch Stuttgart
mit einer größeren Ausstellung, die gleichsam
über Nacht fix und fertig dastand, hervortrat. Das
Programm lautete: »Entsprechend der Aufgabe der
Beratungsstelle, den Bauleuten, namentlich auf dem
Lande, die Fortschritte der Baukunst nach der künst-
lerischen und technischen Seite zu vermitteln, will die
Ausstellung keine vollständig neuen Werte schaffen,
sie beschränkt sich vielmehr im wesentlichen darauf,
abgeklärte, gesunde, in der Praxis bewährte Formen
und Konstruktionen vorzuführen.« Die Beratungsstelle,
oder wie der vollständigere Titel ist, die Beratungs-
stelle für das Baugewerbe bei der K Centralsteile für
Gewerbe und Handel, hat das, was die von ihr ge-
schaffene und geleitete Ausstellung will, schon seit
Beginn ihres Bestehens — im Herbst werden es drei
Jahre — zu ihrem Programm erhoben und nunmehr
nur in eine auch nach außen, namentlich dem großen
Publikum sichtbare, lebendige Form gekleidet.

Als überaus gelungen muß diese Stuttgarter Bau-
ausstellung bezeichnet werden, schon allein darum, daß
sie viel mehr hält als sie verspricht. Die in der Praxis
bewährten Formen und Konstruktionen werden nämlich
mittelst vollständig eingerichteter Sonderbauten, vor-
nehmlich ländliche Einfamilienhäuser und Arbeiterhäuser,
demonstriert. Undauf welche Weiseläßt sich wohl rascher
und eindringlicher für geschmackvolles und sachliches

Bauen und Wohnen, für zweckmäßige Raumgestaltung,
für schlichte Formen, für gediegenes Material, für solide
Ausstattung und ähnliches Propaganda machen als durch
reizende Einzelhäuser, die vom Keller bis zum Boden von
jedem Ausstellungsbesucher geprüft werden können?

Daneben ist aber auch für den Fachmann durch
Spezialbauten, namentlich auf dem Gebiete des Eisen-
betons, ausgiebig gesorgt; wie auch innerhalb einer
großen, von früheren Ausstellungen herrührenden Halle
alles, was sich auf Baumaterialien und Baukonstruk-
tionen bezieht, vorgeführt wird.

Neben den Leistungen der Architekten, die in
Stuttgart ganz besonders zahlreich ihr Domizil auf-
geschlagen haben, ist — durch eine kleine Erweite-
rung des Programms — auch die heimische Möbel-
industrie innerhalb der Bauausstellung geschlossen
vertreten. Auch hier ist ein erfreuliches Streben nach
Zweckmäßigkeit und Gediegenheit unverkennbar, was
um so mehr anerkannt sein mag, als Stuttgart im all-
gemeinen als Hochburg veralteten Geschmackes an-
gesehen zu werden pflegt. Man besuche die Stuttgarter
Bauausstellung und revidiere sein Urteil. — Überhaupt,
man kann nur davon lernen, wie hier in Württemberg
der Staat in geschickter Weise, ohne den Schulmeister
zu spielen, in modernem Sinne Volkserziehung treibt.
Allerdings ist es nötig, daß derartige Aufgaben in so
bewährten Händen liegen wie es beispielsweise bei der
Beratungsstelle der Fall ist. a. B.

Dipl. ing. Lorenz (Akademischer Architekten-Verein, Braunschweig)

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