NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR
bildenden und angewandten
Künste mag utopisch klingen.
Unerreichbar sollte es nicht sein.
Bei vollem Einsatz der gemein-
samen Kräfte nach einer Willens-
richtung, kann Hohes entstehen.
Karl August und Anna Amalia
waren zu ihrer Zeit auch Heger
und Pfleger der für ihre Zeit
»modernen« Kunst. Das hat der
Kanzler von Müller nach dem
Hinscheidendes Fürsten, in seiner
Dankrede in der Loge »Amalia«
mit einigen Sätzen ausgesprochen,
die noch heute nichts von ihrer
Geltung verloren haben:
»Nicht immer gönnt das Ge-
schick edlen Geistern, in einer
ihrem Naturell gerade anpassen-
den Zeit hervorzutreten und die
ihrige zu verstehen; nur zu oft
begegnen wir in der Geschichte charaktervollen Erscheinungen, die
um Jahrhunderte zu spät, oder zu früh kommen. Ihm (Karl August)
lag es klar vor der Seele, daß jede Periode vorschreitender Ent-
Die alte Kunstschule
Treppe im
Neubau der
Kunstschule
(v. d. Velde)
wickelung ihren eigenen Maßstab, ihre eigentümliche
Temperatur und Anforderungen habe und haben müsse,
und daß es die höchste Aufgabe eines Fürstenlebens
sei, jenen Maßstab zu prüfen, diese Anforderungen zu
würdigen und ihnen mit kluger Umsicht, aber auf-
richtig zu genügen.
Die Absicht, die weimarische Kunstschule mit
neuem Leben zu erfüllen, zeugt von einem feinen
Gehör für die Tonschwingungen der Gegenwart. Die
Verhältnisse lagen ungünstig. Die gute Tradition der
Romantik eines Moriz von Schwind, wie der Klassi-
zität der Preller, Genelli, Overbeck mochte eher ver-
wehrend als verlebendigend auf die geistige Regsam-
keit der Jugend nachwirken. Denn die Jugend besitzt
Van de Velde
Neues Kunstgewerbe-Institut mit Garten
bildenden und angewandten
Künste mag utopisch klingen.
Unerreichbar sollte es nicht sein.
Bei vollem Einsatz der gemein-
samen Kräfte nach einer Willens-
richtung, kann Hohes entstehen.
Karl August und Anna Amalia
waren zu ihrer Zeit auch Heger
und Pfleger der für ihre Zeit
»modernen« Kunst. Das hat der
Kanzler von Müller nach dem
Hinscheidendes Fürsten, in seiner
Dankrede in der Loge »Amalia«
mit einigen Sätzen ausgesprochen,
die noch heute nichts von ihrer
Geltung verloren haben:
»Nicht immer gönnt das Ge-
schick edlen Geistern, in einer
ihrem Naturell gerade anpassen-
den Zeit hervorzutreten und die
ihrige zu verstehen; nur zu oft
begegnen wir in der Geschichte charaktervollen Erscheinungen, die
um Jahrhunderte zu spät, oder zu früh kommen. Ihm (Karl August)
lag es klar vor der Seele, daß jede Periode vorschreitender Ent-
Die alte Kunstschule
Treppe im
Neubau der
Kunstschule
(v. d. Velde)
wickelung ihren eigenen Maßstab, ihre eigentümliche
Temperatur und Anforderungen habe und haben müsse,
und daß es die höchste Aufgabe eines Fürstenlebens
sei, jenen Maßstab zu prüfen, diese Anforderungen zu
würdigen und ihnen mit kluger Umsicht, aber auf-
richtig zu genügen.
Die Absicht, die weimarische Kunstschule mit
neuem Leben zu erfüllen, zeugt von einem feinen
Gehör für die Tonschwingungen der Gegenwart. Die
Verhältnisse lagen ungünstig. Die gute Tradition der
Romantik eines Moriz von Schwind, wie der Klassi-
zität der Preller, Genelli, Overbeck mochte eher ver-
wehrend als verlebendigend auf die geistige Regsam-
keit der Jugend nachwirken. Denn die Jugend besitzt
Van de Velde
Neues Kunstgewerbe-Institut mit Garten