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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Seliger, Max: "Das deutsche Farbenbuch": ein geplantes wichtiges Werk
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0026

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»DAS DEUTSCHE FARBENBUCH«

EIN GEPLANTES WICHTIGES WERK

MAN kann wohl behaupten, daß wir einige
Fortschritte in den Malverfahren gemacht
haben und daß wir heute mehr von der
Technik wissen als vor etwa 37 Jahren. Schon da-
durch, daß die Erforschung unserer Technik durch
die Gründung amtlicher Versuchswerkstätten an den
Akademien jetzt planmäßiger betrieben wird. Gegen-
wärtig wird ein von der Deutschen Gesellschaft zur
Förderung rationeller Malverfahren (Sitz in München)
geplantes »Deutsches Farbenbuch' von einer eigens
dazu zusammengesetzten Kommission bearbeitet. Es
erscheint mir wünschenswert, daß die Künstler sich
für dieses sehr lobenswerte Unternehmen interessieren.
Bekanntlich ist die Namengebung unserer Farben
noch sehr uneinheitlich. Bedauerlicherweise ist unsere
solide kleinere Künstlerfarbenpalette auch nicht über-
einstimmend mit der Palette der Druckindustrie. Hier
wimmelt es an Überfluß und an Phantasienamen.
Darum ist bei dem heute erfreulich sich steigernden
Zusammenwirken von Malerei und Druckindustrie für
den Künstler eine schnelle Verständigung mit den
Druckern sehr erschwert. Mißverständnisse und Ent-
täuschungen bei der Arbeit oder wenig gelungene und
auch ganz mißlungene Druckwerke sind die Folge.
Unser deutscher Kunstdruck aber ist von dem aller-
größesten Werte für unsere Kultur und unsere Stellung
auf dem Weltmarkte. Die Maler als Mitbeteiligte haben
deshalb Ursache, auch hier bestehende Mißstände ab-
stellen zu helfen. Viele der Druckfarben sind unnötig,
sie tragen nur zur Verwirrung bei. Oft sind sie nur
ein weniger haltbarer aber billigerer Ersatz der Künstler-
farben. Viele Nuancen sind überflüssig, weil sie durch
Zusätze von Weiß oder Verdünnungen mit Binde-
mitteln leicht herstellbar sind. Manche schöne Erd-
und Mineralfarben sind auf diese Weise abgelöst und
ersetzt. Die Ersatzfarben sind auch nicht immer als
solche bezeichnet,sondern tragen neueNamen. Während
nun ernste Künstler und Schulen auf eine haltbare
und nicht zu große Farbenskala bedacht sind, ist
seitens vieler Farbenfabriken ein umgekehrtes Streben
zu beobachten. Das ist aber nicht zu wünschen, im
Interesse des Publikums und aller Erzeuger, die Farb-
stoffe für ihre Werke brauchen. Hand in Hand damit
wird nicht die Güte und Dauer der Arbeit, nur die
Bequemlichkeit auf der einen Seite und Eitelkeit oder
Eigennutz auf der anderen gefördert.

Unsere gedruckten Bilder wirken durchschnittlich
unerfreulicher als die Gemälde, weil sie mit anderen
teils im Charakter abweichenden Pigmenten gedruckt
sind. Preußischblaue Lüfte in Landschaften, chrom-
gelbe Erd- und Sonnenlichttöne, sind die Regel. Die
Wahrheit der Wirkungen ist nicht überzeugend. Die
Wirkungen des gedruckten Bildes berühren zumeist
unnatürlich.

Ultramarin und Kobalt werden meist nicht
verwandt. Sogar dort wo ein lasierender Über-
einanderdruck gar nicht nötig ist, werden vielfach
die deckenden aber vornehmeren gelben Erden ver-
mieden und allerhand scharfe grünstichige Lacke und
Chromgelbersatz verarbeitet. Über ihre Dauer im
Licht sind leider noch keine genauen Beobachtungen da.
Ich fürchte, sie sind sehr unhaltbar. Man kann jetzt
von einer ästhetischen Miloriblau (Preußischblau)- und
von einer Chromgelbkrankheit des deutschen Illustra-
tionsdruckes sprechen!

Nun scheint es mir erwünscht, um hier vorwärts
zu kommen, eine Organisation zu schaffen, durch die
eine Einwirkung auf die Kollegen und Fabrikanten
möglich wäre.

Vielleicht könnte die Allgemeine Deutsche Kunst-
genossenschaft und der Deutsche Künstlerbund durch
Umläufe an die Künstlervereine und Kunstschulen
und durch Sonderarbeiten in einer Kommission ein-
heitliche Forderungen aufstellen, die dann durchgesetzt
werden müßten durch Zusammenschlüsse der gut-
gesinnten Künstler zum Schutze ihrer Kunst und zum
Schutze des Publikums gegen unrationelle Technik.

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß jeder Künstler,
schon um Erfahrungen sammeln zu können, fordern
müßte 1. Eine möglichst einheitliche Namengebung
für alle Pigmentfarben in allen Künsten und Industrien,
2. Eine Angabe des verkauften Farbstoffes, auf dem
Farbengefäße (Tube, Büchse usw.) Nennung der zu-
sammengesetzten Farbstoffe mit Angaben über das
Verhältnis der Teile, 3. Eine Bürgschaft, daß die Stoffe
mit den Namen oder Bezeichnungen (2.) überein-
stimmen, und daß sie rein und preisgemäß sind, 4. Eine
Angabe über Lichtbeständigkeit und Verträglichkeit
mit gleichartigen Farbstoffen derselben Kunst oder
desselben Gewerbes.

Heute wissen die meisten Künstler und Industriellen
nicht, womit sie malen, drucken und sonstwie arbeiten,
und ob sie damit arbeiten, womit sie zu arbeiten
glauben. Sie können es nicht wissen, wenn sie nicht
von jeder Farbbüchse chemische Analysen machen
lassen wollen.

Wir sollten, da es sich um große ästhetische
und ethische Werke handelt, durch unsere Künstler-,
Kunst- und anderen Vereine die Klinke der Gesetz-
gebung für uns zu fassen streben. Die Nahrungsmittel-
fälschung ist doch auch noch nicht seit langer Zeit
gesetzlich verboten! Es stehen hier große Kultur-
werte auf dem Spiel. Die Gesundheit bedeutender
Gruppen von Kunst- und Industriewerken.

Diejenigen Fabrikate, die unsere Forderungen er-
füllen, sollten uns von allen besonders empfohlen und
breit eingeführt werden durch Vereinspropaganda.
Jeder könnte seine Beobachtungen den Vorständen

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