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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Vollmer, Hans: Die Buchbindekunst der alten Meister: Ausstellung des deutschen Buchgewerbevereins im Leipziger Buchgewerbe-Museum. Oktober - November 1907
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0054

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DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

unverzierte Holzeinlage sichtbar werden. Die Deckel-
ornamentierung eines Baseler Bandes derselben Samm-
lung (1485) besteht aus einer Reihe von blind ein-
gepeßten kreisförmigenStempeln mit Vogeldarstellungen
darin.

Dieses immerhin langwierige Einzelstempelver-
fahren, das dazu in der Akkuratheit in der Anordnung
der Muster zu wünschen übrig ließ — die recht
sorglos aneinandergereihten Ringe des letzterwähnten
Bandes zeigen das —, wurde gegen Ende des Jahr-
hunderts durch den Plattenstempel abgelöst, der zu-
erst in den Niederlanden, England und Frankreich
Verwendung fand. Eine Reihe kleinerer, der Samm-
lung Becher entlehnter Oktavbändchen veranschaulicht
den Typus dieser mit Hilfe einer einzigen gravierten
Platte dekorierten Buchdeckel, drei darunter mit dem
beliebten Muster einer doppelten, regelmäßig sich in-
einander verzahnenden Eichelreihe (Abb. 3). Bei
größeren Buchformaten wurde derselbe Plattenstempel,
um den Spiegel zu füllen, oft zwei- oder viermal
neben- und übereinander abgedruckt, wofür der hübsche
Band mit doppelter Anordnung der Madonna ein
Beispiel ist. Die für England charakteristischen großen
Wappenstempel wie die in Frankreich beliebten Stem-
pel mit figürlichen Darstellungen sind in einigen
Bändchen aus der Sammlung Becher gut vertreten.
Etwa gleichzeitig mit dem Plattenstempel tritt die
Buchbinderrolle auf, die zur Einpressung laufender
Muster dient und das umständliche Verfahren, die
Randmuster aus lauter aneinandergesetzten Teilstücken
herzustellen, ersetzt. Die Anwendung der Rolle wird
meist mit dem Verfahren des Plattenstempels kom-
biniert. Ein prachtvolles Spezimen dieser Art ist der
Band der Sammlung B., Inhalt Lyon 1514 (Abb. 4),
dessen Deckel um ein mit dem Plattenstempel ein-
gepreßtes Rechteck mit der Anbetung der Könige
mehrere mit verschiedenen Rollenmustern eingedruckte
Bordüren zeigt, deren äußerste das schon erwähnte
Eichelornament zum Motiv hat.

Es ist ein merkwürdiger Kontrast, wenn man von
diesen durchgehends in schlichter Blindpressung her-
gestellten Einbänden kommend vor die orientalische
Sammlung tritt, wo plötzlich eine schillernde Farben-
pracht das Auge blendet, daß man in einen Schrein
von Juwelen hineinzusehen glaubt. Außer dieser
üppigen Verwendung von Gold und Farbe unter-
scheidet sich die Dekoration selbst durch ein beson-
deres Kompositionsprinzip: ornamentale Betonung der
Mitten und der vier Ecken des Spiegels von den
abendländischen Einbandverzierungen der Zeit. Einige
prächtige, mit der dem orientalischen Bucheinband eigen-
tümlichen Schutzklappe erhaltene Exemplare der Samm-
lung B. orientieren über diesen typischen Fall (Abb. 5).
Bei einem herrlichen Band des 17. Jahrhunderts aus
derselben Sammlung finden wir abweichend die ganze
Fläche des Spiegels in eine feine Liniendekoration
aufgelöst. Direkt auf orientalische Vorbilder geht der
Prachtband (Venedig 1477) für Petrus Ugelheimer
zurück, der zu einer Serie von vier berühmten, mit
kostbaren Initialen verzierten Codices im Besitz der
herzoglichen Bibliothek in Gotha gehört. Das teil-

weise vergoldele Ornament ist aus der Maroquin-
lederdecke ausgeschnitten, der Grund mit farbiger
Seide aufgelegt.

Die starke Einwirkung des Orients auf die Buch-
bindekunst des Abendlandes, zunächst Italiens, wie
sie sich um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert
vollzieht, wird deutlich an einer Reihe meist der
Sammlung B. entstammender italienischer Bändchen.
Stärker und stärker macht sich die Anwendung von
Gold geltend, sowie eine direkte Herübernahme ge-
wisser ornamentaler Motive, wie vor allem des Band-
werks und der Maureske. Das äußerst zierliche
dunkelgrüne Maroquinbändchen der Sammlung B.
(Inhalt: Neapel 1502) gibt den Niederschlag dieser
Einflüsse in konzentriertester Form wieder (Abb. 6).
Ein in Goldpressung hergestelltes Knotenornament
überzieht gedrehten, durcheinandergezogenen Schnüren
gleich die Spiegel der Deckel; nur im Original ist
der schöne farbige Kontrast von Grund und Muste-
rung recht zu genießen. Das orientalische Prinzip
der ornamentalen Besetzung von Mitte und Ecken
weist der prachtvolle Band der »Bibliotheca Corvina«
aus der Dresdener Köngl. Bibliothek auf, der eben-
falls reiche Vergoldung durch schraffierte Stempel in
Anspruch nimmt. Immerhin geben selbst die durch
den Orient am unmittelbarsten beeinflußten vene-
zianischen Einbände noch lange der billigeren Blind-
pressung den Vorzug, die selbst von Aldus Manutius
in der ersten Zeit noch ausschließlich angewandt
wird. Allmählich beginnt dann die Aufnahme des
Gold. Neben der blindgepreßten Aldine in dem be-
kannten kleinen Oktavformat liegt eine solche mit
vergoldetem Mittelknopf, bis endlich in dem ent-
zückenden Bändchen der Sammlung B. (Abb. 7) mit
seinen übereck gestellten drei Quadraten mit ihrem
feinen Maureskenornament darin, sowie den vier Blatt-
stempeln in den Ecken das Gold die entscheidende
Note für den Totaleindruck wird. Ein hübscher
Liviusband repräsentiert den bescheideneren, aber nicht
weniger geschmackvollen Typus der Klassikerausgaben
des Aldus.

Die Verbindung zwischen der Renaissancebuchbinde-
kunst Italiens und der Frankreichs stellt Jean Grolier
dar, bekanntlich nicht der Name eines Buchkünstlers,
sondern eines Bibliophilen, der, 1479 in Lyon ge-
boren, lange Jahre in Mailand, später in Rom lebte
und durch seine 1537 erfolgte Übersiedelung nach
Paris den Anstoß zu einer glänzenden Entwickelung
der Kunst des Bucheinbandes in Frankreich gab.
Das Berliner Bändchen ist mit seinem feinen beschei-
denen goldenen Bandrahmen ein charakteristisches
Spezimen der früheren Groliers aus der Zeit um
1512—20; am unteren Rand des Vorderdeckels die
Besitzinschnft: »Jo. Grolierii et amicorum«. Anspruchs-
voller tritt der prachtvolle Grolier der Gothaer Biblio-
thek auf (Abb. 8), der mit wesentlich anderen Deko-
rationsmotiven arbeitet. Ein mit roten, weißen und
grünen Lackfarben bunt bemaltes Bandwerk schlingt
sich in kunstvoller geometrischer Anordnung über
den Deckel hin; ein Arabeskenornament füllt die
Randeinfassungen und die Ecken; aber nirgends ein
 
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