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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Lux, Joseph August: Die Anfänge der modernen Bewegung rund um Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0078

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DIE ANFÄNGE DER MODERNEN BEWEGUNG RUND UM DEUTSCHLAND

Stein, der belebt ist. Ganz verinnerlicht, ganz ver-
geistigt. Architektur. Hier ist ein Punkt, wo sich
ein weiter Blick auftut, eine ganz neue künstlerische
Welt, die alle Zweige umfaßt und in Einheit setzt.
Man konnte die möglichst sinnvolle Harmonie, die
sich von hier aus erschließt, gotisch nennen, weil
ja auch Minne gotische Züge trägt, wenn man nicht
sofort den Denkfehler begehen würde, sich gotische
Stilimitationen vorzustellen, wie es der Akademismus
des 19. Jahrhunderts gewohnt war. Der völlig neue,
selbständige künstlerische Weg, der geistiges Schaffen
voraussetzt, gelangt unabsichtlich zur ideellen Ver-
wandtschaft mit der feinsten Blüte menschlicher Kunst,
zu der ich auch die Gotik rechne, während die
stilistische Nachahmung, die von dem überlieferten
Motiv ausgeht, regelmäßig das Ziel verfehlt und in
Albernheit und Flachheit zugrunde geht.

Ich habe einzelne Adern der Entwickelung weiter
verfolgt, als es der Pan zu seiner Zeit tun konnte,
und die Verästelung angedeutet, die geistiges Leben
in die damals noch abliegenden Gebiete der eigent-
lichen künstlerischen Fruchtbarkeit, nämlich der ge-
werblichen Künste bringen sollten. Es ist begreiflich,
daß der Pan zu seiner Zeit noch nicht die Summe
der Erscheinungen ziehen konnte. Vielfache Ent-
wicklungsarbeit geht nebeneinander her, für die er
die Programme geliefert hat. Aber nicht alle be-
gegnen sich in einem Stern, der ihre Wege vereinigt.

Die schwersten Irrtümer sind gerade bei uns aus der
Unkenntnis der Zusammenhänge hervorgegangen. Die
Kluft zwischen Entwerfer und Hersteller ist bei uns
nicht überbrückt und bildet eines unserer schwierigsten
Probleme. Um das Ziel zu finden, muß man den
Ursprung kennen. Zwar sind diese Zusammenhänge
nicht so einfach zu greifen wie die Paternosterperlen
eines Rosenkranzes, den man schnellfingrig herunter-
leiert. Die Vorgänge des geistig-künstlerischen Ent-
wicklungsprozesses sind dunkel und kompliziert, der
seelische Kontakt funktioniert telepathisch, der draht-
losen Telegraphie vergleichbar; die Ströme gehen
vielverzweigt und nicht sichtlich nachweisbar, und
jede Persönlichkeit, die diese ausstrahlenden Energien
aufnimmt, wirkt als Kraftstation, die die Einflüsse in
dem neuen Sinne verarbeitet und von sich gibt. So
will auch diese Darstellung verstanden werden. Es
ist vielleicht im einzelnen möglich, den Tatsachen
eine andere Logik zu geben. Aber es scheint mir
nicht gut möglich, die geistigen Wechselwirkungen
der besprochenen verschiedenartigen Entwickelungs-
reihen, von der unsere moderne Bewegung hervor-
gerufen worden ist, zu bestreiten, wenn nicht die
grundsätzliche, lebensvolle Einheit der Künste ver-
kannt werden soll. Ihre Lebenseinheit zwingt sie zur
Mitleidenschaft; weil sie im Grunde ein Geistiges
vorstellen, von Nerven belebt, teilt sich jede belebende
oder hemmende Wirkung dem Ganzen mit.

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