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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Matz, Louise; Kofahl, Otto: Werkstätte für künstlerische Frauenarbeit: Schülerinnenausbildung zu Kunstgewerblerinnen, Musterzeichnerinnen und Kunsttapisseristinnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0082

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WERKSTÄTTE FÜR KÜNSTLERISCHE FRAUENARBEIT

Miltelslück eines Schmuckes, hergestellt in der Lübecker Frauenwerkstätte

Filigranschmuck, hergestellt von Goldschmied Arthur Berger in Stuttgart
nach Entwurf von Frau Louise Malz, Lübeck

Geschäftsfenstervorhang mit Handtambourierarbeit und Fenster mit Buntverglasung

nach Entwurf von Frau Louise Matz, Lübeck

Ausführung des Fensters von Glasermeister C. Berkentien in Lübeck

eingegangenen Honorar. — Stickereien, Por-
zellanmalereien usw. werden in der Werkstätte
selber ausgeführt. Für Stickereien müssen die
Schülerinnen sich die nötige Übung im Auf-
zeichnen und Einrichten der Arbeit, sowie
deren Farbstellung aneignen und alles so weit
führen, daß eine bezahlte Hilfskraft die weitere
mechanische Ausführung übernehmen kann.

Ich möchte die Punkte herausheben, in
denen wohl das Wertvolle der Ausbildung in
dieser Werkstatt zu erblicken ist.

Erstens arbeitet die Lehrerin alles gemein-
sam mit den Schülerinnen; und sie besitzt
neben dem sachlichen Können eine Erfindungs-
gabe, die erfrischend quillt und dadurch auch
die Schaffenskräfte anderer befruchtet.

Zweitens ist es für die Schülerinnen
wichtig, daß sie sich heranbilden durch die
Mitarbeit an wirklichen Bestellungen. Sie lernen
dadurch künstlerisch zu schaffen auch bei der
nötigen Rücksicht auf die Wünsche sowohl des
Publikums als auch der Bedingungen von
Fabrikanten. Dabei kommt den Schülerinnen
zugute, daß Frau Matz eine große Anzahl
handwerklicher und maschineller Betriebe in
und außerhalb Lübecks gründlich kennt. Sie
besuchte allein im vorigen Jahre sieben ver-
schiedene Fabriken und belehrte sich über
die Herstellung im großen von Ooldwaren,
Tonwaren, Gardinen- und Buntwebereien,
Maschinenstickereien, Spitzen und Porzellan-
waren. An diesen Erfahrungen nehmen die
Lernenden teil und sie werden dazu geführt,
ihre Entwürfe wirklich brauchbar zu machen.

Drittens steht die Werkstätte in steter
Verbindung mit einem Geschäftsgang, da der
Gatte von Frau Matz der Inhaber eines alten, an-
gesehenen Tapeten- und Dekorationsgeschäftes
ist; dadurch gibt es Gelegenheit, die Fabri-
kanten und deren Vertreter häufiger selber zu
hören und ihre wechselnden Wünsche und
Bedürfnisse zu erfahren. Besonders aber wird
den Schülerinnen ermöglicht, auch die ganze
geschäftliche Handhabung einer kunstgewerb-
lichen Tätigkeit kennen zu lernen. So wachsen
sie hier ins wirtschaftliche Leben hinein und
gleichen nicht Treibhauspflanzen, die, später
in die freie Wirklichkeit gestellt, nur schwer
Wurzel fassen können.

Das Bestreben von Frau Matz ist, ihre
Schülerinnen gerade in die Bereiche der
Kunst einzuführen, die dem Frauenverständnis
und der Frauenkraft am geeignetsten liegen.
Und hierin wird geradezu eine Kulturaufgabe
angegriffen. Die Frauenkunst der Gegenwart
ist nach zwei Seiten hin unerfreulich. Eine
große Zahl von Kunstbeflissenen sucht ihre
Ausbildung auf den Gebieten, wo sie doch
Männern den besten Teil überlassen müssen
und völlig entbehrlich sind. Auf der anderen
Seite betätigt sich die weibliche Freude am
Schmücken in unzähligen Arbeiten, die gleich
ungenügend bleiben, einerlei ob die Mode
Malen, Schnitzen, Brennen, Punzen oder
Applizieren in Aufnahme bringt. Denn alle
diese Verzierungen, seien es naturalistische
Blumen oder stilistisch geschwungene wie
steifgemachte Stengel und Blätter, seien es
 
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