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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Pabst, Arthur: Technische Arbeit als Erziehungsmittel
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0097

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TECHNISCHE ARBEIT ALS ERZIEHUNGSMITTEL

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Arbeit mit Werkzeugen und im Zusammenhange da-
mit die Entwicklung der Sprache haben schon auf
früher Kulturstufe die Intelligenz des Menschen ge-
weckt und in ihm Eigenschaften entwickelt, die den
Kulturmenschen auszeichnen. Wenn Emerson mit
Recht sagt: »Handarbeit bedeutet Studieren der äußeren
Welt«, so bezieht sich diese Äußerung zunächst nur
auf die eine, gewissermaßen auf die äußere Seite der
Wirkung, die wir der Handarbeit als einem Erziehungs-
mittel zusprechen müssen; die technische Arbeit hatte
aber zweifellos noch eine andere, innere Wirkung,
indem sie den Menschen zur Sittlichkeit erzog und
die Kultur veredelte.

Gründen versagt. Wenn man der Meinung ist, daß
die Bildungsziele sich der gesamten Kulturentwicke-
lung anpassen müssen, so wird man auch zu-
geben müssen, daß unser Erziehungssystem einer
Umgestaltung bedarf. Diejenigen Kulturvölker, die
mit einem scharfen Blick für die realen Bedürfnisse
des Lebens ausgestattet sind, haben ihr Erziehungs-
system bereis so ausgestaltet, daß es dem jugend-
lichen Nachwuchs die Eigenschaften anerzieht, auf
die es im Leben ankommt. Die junge amerikanische
Schule bietet uns ausgezeichnete Beispiele einer Er-
ziehung, die den Tätigkeitstrieb des Kindes zum Aus-
gangspunkt nimmt und auf ihm weiter baut. Die





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Fig. 29. Klasse einer amerikanischen Mittelschule (Realschule) bei der Metallarbeit

Den Begriff »Technische Arbeit als Erziehungs-
mittel« kann man ziemlich weit fassen. Es gehören
dazu alle Handarbeiten im engeren Sinne, insbesondere
auch die feineren Arbeiten, die nur kleinere Muskel-
gruppen der Hand in Anspruch nehmen. Die Be-
herrschung derselben ist schwieriger als die der großen
Muskelgruppen und bedarf deshalb besonderer Übung.
Auch das Zeichnen und Modellieren, das Experimen-
tieren mit Apparaten, sowie die Beschäftigung mit
hauswirtschaftlichen Verrichtungen rechnen wir zu den
technischen Arbeiten. Schul Werkstatt, Laboratorium
und Schulküche sind Einrichtungen, die nicht ent-
behrt werden können, wenn sich die Erziehung der
technischen Arbeit bedienen will. Man wird derartige
Einrichtungen in Zukunft um so nachdrücklicher ver-
langen müssen, je mehr in dieser Hinsicht unsere
häusliche Erziehung aus den schon angegebenen

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Befriedigung des Tätigkeitstriebes aber erfordert auf
jeder Stufe technisches Arbeiten. Die Kleinen bilden
in Ton und Sand und handhaben den Zeichenstift
und die Schere zur Darstellung einfacher Formen.
Die geübtere Hand der größeren Kinder kann alsdann
mit Messer, Hammer, Hobel, Säge, Feile und andern
Werkzeugen arbeiten; Pappe, Holz und Metall sind
die Materialien, die sich dazu eignen (Fig. 27—29). Die
Herstellung von Flechtwerk und das Weben in Wolle
und Leinen sind ebenfalls Beschäftigungen, die von
Knaben und Mädchen auf verschiedenen Altersstufen
betrieben werden können. Auf der Oberstufe herrscht
für die Knaben die eigentliche Werkstattarbeit vor,
während die Mädchen einen hauswirtschaftlichen Unter-
richt genießen. Daß sich eine derartige Erziehung
gerade in Amerika einer besonderen Wertschätzung
erfreut, ist gewiß kein Zufall, sondern steht im Zu-

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