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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0106

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

zwischen dem l. März und 15. April eingeliefert werden
müssen, damit ihre Ausstellung eine Woche vor der Er-
öffnung der Ausstellung vollendet ist. Bekanntlich müssen
die auszustellenden Gegenstände, entsprechend dem Pro-
gramm, ganz oder teilweise in München hergestellt, oder,
wenn sie auswärts hergestellt sind, von Münchener Künstlern
entworfen sein. Außerdem sind zulässig alle im Münchener
Handel befindlichen Handelswaren, mit Ausnahme der-
jenigen, die den gleichartigen Waren Münchener Herkunft
Konkurrenz machen. Das wird wohl auf die Mehrzahl der
auswärtigen Waren zutreffen.

München. Die Folge der III. deutschen Kunstgewerbe-
Ausstellung, in der die führende Rolle ausschließlich den
Künstlern zugewiesen wurde, war eine starke Beunruhigung
in den Kreisen der Handwerker, welche fürchteten, daß
man ihnen ihre Selbständigkeit nehmen wolle. Diese Be-
unruhigung ist geblieben und bewirkt, daß man auch der
Ausstellung München 1908 gegenüber ein ähnliches Miß-
trauen hegt. Da wird es interessieren, daß sich in den »Amt-
lichen Mitteilungen« ein Kunstschriftsteller Wilhelm Michel,
natürlich mit »amtlicher« Genehmigung über die Ziele der
Ausstellung klar ausgesprochen hat. Wir finden in seinem
Aufsatz »Der Raum als Kunstwerk« folgende Salze, die gewiß
die heutige Situation richtig beleuchten: »Gewiß, Künstler
waren es, die zuerst auf die Stimme der Zeit horchten und
ihr Verlangen nach umfassenderer Selbstdarstellung ver-
standen. Künstler haben eben feinere Ohren für solche Dinge.
Aber als sie sich daran machten, jenes Verlangen zu stillen,
da waren sie nichts als Lehrer des Handwerks. Sind ge-
schmackvolle Disposition, kluger, materialgemäßer Aufbau
und zweckentsprechende Gestaltung etwa integrierende Be-
standteile der künstlerischen Produktion? Ich glaube nicht.
Die Kunst schöpft aus ganz anderen Quellen. Lehrer waren
die Künstler, und wie ihre Anregungen gefruchtet haben,
das läßt sich aus dem Formenvorrat jedes intelligenten
Schreinermeisters der Gegenwart abnehmen. Was vor zehn
Jahren noch mit mancherlei Zweifeln ersehnt wurde, ist
heute vollendete Tatsache geworden: Jeder intelligente
Handwerksmeister besitzt einen Schatz an Formen, der es ihm
möglich macht, eine ganze Reihe der regelmäßig wieder-
kehrenden Aufgaben geschmackvoll und dem einzelnen
Fall entsprechend zu lösen. Damit ist der Anfang zu der
ersehnten »Demokratisierung« der kunstgewerblichen Bestre-
bungen gemacht. . . Vom Raum als »Kunstwerk« konnte
man nur so lange reden, als man eben Geschmack und kluge
Disposition in der Innenausstattung als etwas Fremdartiges,
Ungewohntes, Regelwidriges empfand. Hoffen wir, daß die
Ausstellung »München 1908« zur Beseitigung dieses Distanz-
gefühles recht viel beitragen werde.«

VORTRÄGE

Königsberg. Über »Nutzformen und Zierformen im
alten und neuen Kunstgewerbe« sprach Direktor Dr. Peter
Jessen-BerUn im Kunstgewerbeverein in einem durch aus-
gezeichnete Lichtbilder erläuterten Vortrage. Er ging von
dem Grundgedanken aus, daß alle Werkkunst das Not-
wendige zum Schönen gestalten will: je restloser sie diese
ihre Lebensaufgabe löst, um so höher stehen ihre Werke.
Die Erfüllung des Zweckes ist Voraussetzung aller ge-
sunden Handwerkskunst; sie zu empfinden, gewährt uns
Genuß. Ob dieser Genuß durch das ästetische Gefühl
oder mehr durch den Verstand vermittelt wird, sei schwer
zu entscheiden und auch von der geistigen Anlage des
Genießenden abhängig. Jedenfalls aber kommt es heute
mehr als je auf die Sachlichkeit bei den Arbeiten des
Kunstgewerbes an. Dieser Sinn für das Notwendige hängt

wohl mit dem inneren Zuge der Zeit zusammen, der heute
jeden anweist, sich in der Fülle der Erscheinungen gegen
die allzuvielen Ansprüche des Tages auf das Unerläßliche,
streng Sachliche und Notwendige zu beschränken. Dies
sei auch der Jungbrunnen unseres Kunstgewerbes. Anderer-
seits müsse man daran festhalten, daß es sich nicht um
die »Entdeckung« von etwas ganz Neuem handele. Diese
Auffassung könne nur dazu verführen, zu früh an eine be-
wußte Stilbildung zu denken, anstatt auch die Zierformen
aus den reinen Nutzformen sich entwickeln zu lassen.

»Warum schmücken wir unsere Gebrauchsgegen-
stände?« Über dieses Thema hat Prof. Dr. Paul Ree
im Bayerischen Gewerbemuseum einen Vortrag gehalten.
Er wendete sich gegen die Tendenz des Schmückens
unserer Gebrauchsgegenstände. Er wies darauf hin, daß
allerdings der ornamentale Schmuck leicht zum Phrasen-
tum führe. Das habe man im Lager der Modernen, wo
der Jugendstil groß geworden sei, gerade so erlebt wie in
dem historischen Stilisten, wo neben wenig Kunst viel
Unkunst aufgewachsen sei. Vor der Phrase rette allein
die moderne Schaffensweise. Nur sie gebe unseren
Gebrauchsgegenständen das rechte künstlerische Gepräge.
Unsere Räume seien erst dann der Widerhall unseres
Fühlens und Denkens, wenn sie den Schein des Belebt-
und Beseeltseins hätten und uns gleichsam mit lebhaftem
Mienenspiel anredeten, und das alles bewirkte die Kunst
einmal durch Steigerung des Funktionsausdrucks und dann
durch die Oberflächenbelebung mit Hilfe von Tönung,
Glättung, Rauhung, Materialveredelung und Ornamentation.

VERMISCHTES

Preisausschreiben zur Hebung deutscher Stu-
dentenkunst. Dieser interessante Wettbewerb des Stutt-
garter kgl. Landes-Gewerbemuseums, der am 15. Mai igo8
fällig wird, erfreut sich großer Gönnerschaft. Die als Grund-
stock gestiftete Summe von 1000 Mark ist bereits auf das
Vierfache angewachsen. So hat z. B. der Sondershäuser
Verband deutscher Sängerschaften allein die Summe von
1000 Mark gestiftet.

UNLAUTERER WETTBEWERB

AUSSTELLUNGSSCHUTZ

Die Abänderungsvorschläge der Regierung für
das deutsche Gesetz »zur Bekämpfung des un-
lauteren Wettbewerbs«. Der »Reichsanzeiger« ver-
öffentlicht den vorläufigen Entwurf eines Gesetzes be-
treffend die Abänderung des Gesetzes zur Bekämpfung
des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896. Die wich-
tigsten neuen Punkte sind folgende:

§ 7. Eine Ankündigung, die den Anschein hervorruft,
daß es sich um den Verkauf von Waren handelt, die den
Bestandteil einer Konkursmasse bilden, gilt als unlauterer
Wettbewerb, wenn der Verkauf nicht für Rechnung der
Konkursmasse vorgenommen wird.

§ 9. Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in
Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen
bestimmt sind, den Verkauf von Waren unter der Be-
zeichnung Ausverkauf ankündigt, ist gehalten, in der An-
kündigung die Gründe anzugeben, die zu dem Ausverkauf
Anlaß gegeben haben.

Mit Geldstrafe bis zu 500 Mark oder mit Gefängnis
bis zu einem Jahr wird bestraft, wer im Falle der An-
kündigung des Ausverkaufs Waren zum Verkauf stellt, die
den durch die Ankündigung betroffenen Waren nachträg-
 
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