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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Stettner, Thomas: Ein Stück Selbstbiographie Bernard Palissys
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0162

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'54

EIN STUCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

So durfte denn diese Schilderung, die für eine Perle
biographischer Erzählungskunst gilt, einer Übertragung
wohl wert erscheinen.

Die Kunst, Töpferwaren mit Schmelz zu über-
ziehen, war schon im Altertum wieder verloren ge-
gangen und nur die Mauren scheinen einige Kennt-
nis hiervon gerettet zu haben; denn als die Pisaner
ihnen Majorka abnahmen, brachten sie unter der
Beute solche Schüsseln von maurischer Arbeit mit,
die in die Mauern mehrerer Kirchen Pisas eingelassen
bis heute erhalten sind. Als die Italiener sie später
nachzuahmen versuchten, nannten sie diese Stücke
deshalb Majolika.

Der Wiederentdecker der Emaillierkunst war Luca
della Robbia, dessen staunenswerter Beharrlichkeit es
gelang, die Kunst zu entdecken, Tongefäße mit fast
unverwüstlichem Schmelz zu überziehen und diesen
beliebig zu färben. - In Frankreich aber war diese
Kunst ganz unbekannt, bis Palissy dieselbe für sein
Vaterland eroberte und zu einer selbst Robbias Ar-
beiten überragenden Vollkommenheit erhob.

Palissy ist um 1510 in der Nähe von Saintes im
Mündungsgebiet der Qironde geboren; die Eltern
waren zu arm, um ihn in die Schule zu schicken
und als Bücher hatte er nur »den Himmel und die
Erde, die allen offen sind«. Nach langem Wandern
ließ er sich in Saintes nieder als Glasarbeiter und
-maier, aber gar oft klopfte die Not an seine Türe.
Sein Ziel, die Erfindung des weißen und farbigen
Emails, verfolgte er aber trotzdem unentwegt, und
als nach 16 jährigem Ringen ihm der Erfolg winkte,
schien die Not zu Ende. Aber neue Leiden drohten:
als Hugenott wurde er in den Kerker geworfen, der
Pöbel zerstörte seine Werkstatt und zertrümmerte
seine Werke, und als er durch den Connetable Mont-
morency vom Feuertod errettet heimkehrte, war er
ein Bettler wie zuvor. Da schüttelte er den Staub
der Heimat von den Füßen und begab sich nach
Paris. Dort nahm Katharina von Medicis sich seiner
an und die Grotte, die er in den Tuilerien für sie
aufführte, galt als ein Wunderwerk. Aber auch als
Gelehrter feierte er die größten Triumphe: er lehrte
zuerst artesische Brunnen graben, gab über Schwere
der Luft, Bildung der Kristalle und anderes die ersten
wichtigen Lehren und in seinem Auditorium zu Paris
lauschten die berühmtesten Ärzte und Mathematiker
den Worten des einfachen Mannes, der kein Latein
und Griechisch verstand. Aber als unerbittlicher
Kämpfer gegen die Alchimie, Astrologie und anderen
Aberglauben hatte er sich viele Feinde zugezogen und
sie brachten es dahin, daß er als 78jähriger Greis
1588 wieder als Ketzer in die Bastille geführt wurde.
Als Heinrich III., der ihm sehr wohl wollte, ihn
dort besuchte und ihm sagte, wenn er seinen Ketze-
reien nicht entsage, sei er gezwungen ihn seinen
Feinden zu überlassen, entgegnete er ihm das stolze
Wort: »Sie haben oft gesagt, Sie bemitleiden mich,
nun bemitleide ich Sie, der Sie das Wort sagten: ich
bin gezwungen. Das heißt nicht wie ein König
sprechen, und die, die Sie zwingen, vermögen niemals
etwas über mich, denn ich weiß zu sterben« — und

ungebeugten Sinnes endete er 1589 in der Bastille
sein Leben.

Da er nicht nur Erfinder, sondern auch ein hoch-
begabter Künstler war, schuf er in der neuen Kunst
Werke von einer noch unerreichten Schönheit. Nament-
lich die rustiques figulines, Prunkplatten, auf denen
in den prächtigsten Farben und in unübertrefflicher
Naturwahrheit — das meiste wurde direkt über dem
natürlichen Modell geformt — Wassertiere, Schlangen
usw. in hoch erhabener Arbeit nachgebildet sind,
bilden heute den Stolz jeder derartigen Sammlung,
und da sie naturalistisch und monumental zugleich
wirken, berührt uns der ornamentale Wurf in ihnen
oft merkwürdig modern. Palissy hat aber der Nach-
welt einen zweiten Schatz hinterlassen, der noch nicht
vollständig gehoben ist: eine Reihe von Werken, in
denen er die Resultate seiner Forschungen nieder-
gelegt hat, und wo unter Unwichtigem und Veraltetem
wohl noch manch wertvolle Anregung sich findet.
In dem bedeutendsten dieser Werke, das den Titel
trägt »Discours admirables de la nature des eaux et
fontaines, des Metaux, des Terres, du Feu et des
Emaux« ist das Stück seiner Selbstbiographie enthalten.
In der Form eines Wechselgesprächs zwischen ihm
und einem Neuling in der Kunst gibt er hier in un-
eigennütziger Weise Belehrung über alles, was er in
seinem reichen Leben entdeckt und gefunden — nur
als der Schüler im Kapitel »de l'art de Terre« ihn um
Belehrung darüber bittet, wie Palissy die Gefäße her-
stelle, die ihm so viel Ruhm und Reichtum ein-
brachten, hat seine Uneigennützigkeit eine zu harte
Probe zu bestehen (man erinnere sich nur, mit
welcher Ängstlichkeit damals jeder Meister die' Ge-
heimnisse seiner Kunst hütete!) und wir können sein
Verhalten hierbei nicht ohne Lächeln betrachten.

Nachdem er betont hat, wie verderblich es meist
für die Kunst sei, wenn zu viele sie auszuüben ver-
stünden — er führt als Beispiel unter anderem an,
daß auch Dürers Marienleben durch den massenhaften
Nachschnitt in Frankreich entwertet worden sei —
erzählt er die an Leiden und Enttäuschungen reiche
Geschichte seiner Erfindung, um dem Fragenden vor
Augen zu führen, welch wertvolles Geheimnis er zu
erfahren verlange. Aber auf diesen macht die Er-
zählung offenbar wenig Eindruck und mit der Be-
merkung: »Was singst du ein so langes Lied? Du
sprichst nur von den Fehlern, nicht von der Her-
stellung des Emails« sucht er eine direkte Antwort
auf seine Frage zu erlangen. Über die Bezeichnung
seiner Kunst als einer bloß mechanischen, das heißt
handwerksmäßigen, stellt sich aber der Meister so
empört, daß er den Frager für unwürdig erklärt, das
Geheimnis zu erfahren und so muß er und mit
ihm wir! — uns mit einer dürftigen Erklärung der
Materialien, die er zum Email verwendet, und des
Baues der Schmelzöfen begnügen.

Der Bericht1) über die Erfindung des Emails aber
lautet also:

1) Oeuvres completes de B. Palissy par P. A.Cap. Paris
1544, pg. 311 sq. Die Abfassungszeit des Buches ist 1580.
 
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