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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Ein Landhaus bei Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0231

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EIN LANDHAUS BEI LEIPZIG

grund sich öffnenden schönen Blick auf die sanft
ansteigende grüne Rasenfläche und die dicht dahinter
stehende dunkle Wand des Waldes überrascht.

Obwohl nun Diele und Eßzimmer als ein Raum
zusammengezogen sind, so bilden sie doch nicht die
unbehagliche berühmte »Flucht«, sondern die Diele
baut sich nach rechts aus und ihre eigentliche Wohn-
achse liegt senkrecht zur Achse des Eßzimmers. Der
Eingang von der Garderobe liegt also gleichsam an
der Seitenwand der Diele.

Die Treppe, welche wir auf der Abbildung der
Diele sehen, ist mit einer Schiebetür geschlossen und
trifft sich mit der Haupttreppe (vergl. Grundriß).
Damit ist bei Anwendung von bloß einer Treppe
doch eine gewisse Trennung von »Vorderhaus« und
»Hinterhaus« erreicht. Die Diele ist durch die Ge-
staltung der Fenster und durch den eigentümlich be-
wegten Innenbau zu einem kühl-dämmerigen (wenn
auch ganz und gar nicht dunklen) Raum mit wechsel-
vollem Licht- und Schattenspiel geworden, im Gegen-
satz zu dem blendend hellen Eßzimmer, in dem man
nur durch große Glasflächen abgeschlossen mitten im
Grünen sitzt. Als besondere Schönheit darf nicht
vergessen werden, daß die Fenster des Eßzimmers
nach Nordosten und Südosten liegen; daß also das
Eßzimmer infolgedessen den ganzen Tag über kühl
ist. — Das Holzwerk der Diele ist rotgebeizte Eiche,
die Täfelung des Eßzimmers ist eine wunderschön
gemaserte gelb-graue Esche (Ausführung: Kunsttischler
Albert Müller in Leipzig; die Ausführung des ganzen
Baues hatte Baumeister O. Hauschild in Leipzig).
Über die dekorative Gestaltung der Diele durch die
Verbindung großer Putzflächen mit einrahmendem
Holzwerk und der ringsum an den Wänden verteilten
Kerzenbeleuchtung geben unsere Bilder näheren Auf-
schluß.

Übrigens verdienen, abgesehen von dieser natürlich
nur dekorative Zwecke erfüllenden Kerzenbeleuchfung,
die für Spiritusglühlicht geschaffenen Beleuchtungs-
körper des ganzen Hauses besondere Beachtung. Unsere
Abbildungen zeigen, daß es also möglich ist, auch

für diese Beleuchtungsart geschmackvolle und künst-
lerische Körper zu schaffen. Wenn man die großen
Lampenmagazine besucht hat, sollte man das eigent-
lich für unmöglich halten. So ist die Not, absolut
nichts Brauchbares und Gutes auf dem Markte zu
finden, hier zur Tugend geworden. (Ausführung der
Kronen in Diele und Eßzimmer G. Leander in Berlin,
aller anderen Beleuchtungskörper K. M. Seifert & Co.
in Dresden.)

Nun noch ein paar Bemerkungen über die weiteren
Räume des Hauses, von denen bisher noch nicht die
Rede war: Die große Glastür des Eßzimmers führt
in eine offene, sehr geräumige und geschmackvoll
ausgemalte (Dekorationsmaler Paul Edlich, Leipzig)
Sitzhalle, die bei schönem Wetter das natürliche
Wohnzimmer bildet. Ihre großen Rundbogen rahmen
das landschaftliche Bild panoramisch ein. — Die
Küche ist vom Eßzimmer durch einen Anrichte-
raum getrennt. — Das erste Stockwerk enthält die
Schlafräume und alles Zugehörige. Hier ist es durch
geschickte Disposition gelungen, z. B. ein Kinder-
schlafzimmer zu schaffen, das morgens von zwei Seiten
Sonne hat und 7,<j m lang ist. Sehr hübsch auch
ist die Loggia, welche Elternschlafzimmer und Ankleide-
zimmer gemeinsam vorgelagert ist. Im Ankleide-
zimmer sind die praktischen Waschtische mit der in
Wächtersbach fabrizierten Kippkanne vorbildlich
bequem. — Im zweiten Stock liegt dann das aus den
Notwendigkeiten der Dachkonstruktion achteckig mit
außerordentlich reizenden Nischenbildungen gestaltete
Fremdenzimmer, ferner noch einige kleinere Räume
und ein halbgedeckter Balkon (vergl. Abbildung Süd-
westseite), der einen weiten Überblick über die rück-
wärtige Landschaft ermöglicht.

So ist dieses Sommerhaus in Lindhardt im schönsten
Sinne modern: d. h. es hat nicht den mindesten Fett-
ansatz von Prunk oder Pracht, sondern nur solide
Zweckmäßigkeit in künstlerisch-anmutiger Form. Zu
den Abbildungen, die für sich selbst sprechen, wollten
wir mit unserem Texte nur ein paar besondere Finger-
zeige geben.

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