STUDENTENKUNST-PREISAUSSCHREIBEN UND -AUSSTELLUNG
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müssen, etwas Gediegenes, Modernes setzen und da-
mit die kunstgewerbliche Bewegung unserer Tage
wirksam fördern helfen.«
Man hätte es schier für unmöglich gehalten, daß
hier noch einmal Besserung eintreten könnte; mit
stummer Resignation wandte man im Restaurant den
Blick von der Studentenecke ab, aus der gußeiserne
Landsknechte, unechte Geweih-Rauchgeräte, Bierkrüge,
bestehend aus Totenköpfen und Bismarckschädeln,
Cerevise in schreiender Farbenzusammenstellung,
gläserne Bierstiefel mit unbeholfen aufgetragenenen
Vereinswappen, Holzschränkchen in massiver, über-
ladener Renaissance-Palastarchitektur — kurz, die
übelste, abgestandenste Unkultur entgegengrinste. Wenn
man schon diese Gegenstände mit Stolz als »Repräsen-
tation der Verbindungen« zur Schau stellte, wie mochte
es da erst in den Privatzimmern, in den Klubräumen
aussehen! Wer sich ein möbliertes Zimmer suchte,
konnte sicher sein, die angebotenen Stuben vollge-
pfropft mit Dingen der oben geschilderten Art zu
finden, die von »früheren Semestern« zurückgelassen
waren, von der Vermieterin und ihrem liebenden
Töchterchen sorgsam gehütet und auf wackeligen
Etageren zum Schmuck der bunttapezierten Wände
benutzt.
Man hatte sich gewöhnt, bedauernd die Achseln
zu zucken und zu sagen: »Aussterben lassen!« Aus-
sterben lassen? Sterben denn solche Schäden jemals
aus? Entsenden unsere kulturlosen Gymnasien nicht
alljährlich ungezählte Tausende von jungen unreifen
Menschen in die Universitätstädte, wo sie in diese
Umgebung hineinwachsen müssen; werden nicht die
studentischen Gebräuche und Arten von fünfmal so-
viel jungen Kaufmannslehrlingen mit heißer Be-
wunderung nachgeahmt? Werden nicht, nach mäßigster
Schätzung, in jedem Jahre zwei Millionen Mark für
die erbärmlichste Ramsehbazarwäre1) ausgegeben?
Und nun soll und kann auch hierin endlich
Wandel geschaffen werden! Pazaureks Aufruf zur
Veranstaltung eines allgemeinen Wettbewerbes für
kunstgewerbliche Studentenartikel (Kunstgewerbeblatt
voriger Jahrgang, Seite 146) hat den weitesten Wider-
hall gefunden. Von allen Seiten flössen reichlich
Mittel für die Aussetzung von Preisen; die Universitäten,
technischen Hochschulen und ihre Dozenten, die Korps
und Verbindungen stifteten künstlerisch ausgeführte
Preisgegenstände; die Universitätsschatzkammern und
Archive öffneten sich und zeigten die besten Beispiele
früherer Zeiten bis zum guten alten Mittelalter zurück.
Die Beteiligung am Wettbewerbe war denn auch
eine große; erste Künstler, wie Riemerschmid, Riegel,
Schmohl, Kleinhempel, Oberle, Lang, v. Heider und
1) Der auf Seite 236 dieser Nummer abgebildete
Student mit den so intelligenten Mienen und jovial-ein-
ladenden Gebärden scheint eins der meistbegehrten Requi-
siten zu sein, denn er kehrt in den Katalogen der Fabriken
immer wieder.
Fritz von Heider-Magdeburg: Bierkrüge, ausgeführt von F. Schulze, Ziesar (Provinz Sachsen)
35'
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müssen, etwas Gediegenes, Modernes setzen und da-
mit die kunstgewerbliche Bewegung unserer Tage
wirksam fördern helfen.«
Man hätte es schier für unmöglich gehalten, daß
hier noch einmal Besserung eintreten könnte; mit
stummer Resignation wandte man im Restaurant den
Blick von der Studentenecke ab, aus der gußeiserne
Landsknechte, unechte Geweih-Rauchgeräte, Bierkrüge,
bestehend aus Totenköpfen und Bismarckschädeln,
Cerevise in schreiender Farbenzusammenstellung,
gläserne Bierstiefel mit unbeholfen aufgetragenenen
Vereinswappen, Holzschränkchen in massiver, über-
ladener Renaissance-Palastarchitektur — kurz, die
übelste, abgestandenste Unkultur entgegengrinste. Wenn
man schon diese Gegenstände mit Stolz als »Repräsen-
tation der Verbindungen« zur Schau stellte, wie mochte
es da erst in den Privatzimmern, in den Klubräumen
aussehen! Wer sich ein möbliertes Zimmer suchte,
konnte sicher sein, die angebotenen Stuben vollge-
pfropft mit Dingen der oben geschilderten Art zu
finden, die von »früheren Semestern« zurückgelassen
waren, von der Vermieterin und ihrem liebenden
Töchterchen sorgsam gehütet und auf wackeligen
Etageren zum Schmuck der bunttapezierten Wände
benutzt.
Man hatte sich gewöhnt, bedauernd die Achseln
zu zucken und zu sagen: »Aussterben lassen!« Aus-
sterben lassen? Sterben denn solche Schäden jemals
aus? Entsenden unsere kulturlosen Gymnasien nicht
alljährlich ungezählte Tausende von jungen unreifen
Menschen in die Universitätstädte, wo sie in diese
Umgebung hineinwachsen müssen; werden nicht die
studentischen Gebräuche und Arten von fünfmal so-
viel jungen Kaufmannslehrlingen mit heißer Be-
wunderung nachgeahmt? Werden nicht, nach mäßigster
Schätzung, in jedem Jahre zwei Millionen Mark für
die erbärmlichste Ramsehbazarwäre1) ausgegeben?
Und nun soll und kann auch hierin endlich
Wandel geschaffen werden! Pazaureks Aufruf zur
Veranstaltung eines allgemeinen Wettbewerbes für
kunstgewerbliche Studentenartikel (Kunstgewerbeblatt
voriger Jahrgang, Seite 146) hat den weitesten Wider-
hall gefunden. Von allen Seiten flössen reichlich
Mittel für die Aussetzung von Preisen; die Universitäten,
technischen Hochschulen und ihre Dozenten, die Korps
und Verbindungen stifteten künstlerisch ausgeführte
Preisgegenstände; die Universitätsschatzkammern und
Archive öffneten sich und zeigten die besten Beispiele
früherer Zeiten bis zum guten alten Mittelalter zurück.
Die Beteiligung am Wettbewerbe war denn auch
eine große; erste Künstler, wie Riemerschmid, Riegel,
Schmohl, Kleinhempel, Oberle, Lang, v. Heider und
1) Der auf Seite 236 dieser Nummer abgebildete
Student mit den so intelligenten Mienen und jovial-ein-
ladenden Gebärden scheint eins der meistbegehrten Requi-
siten zu sein, denn er kehrt in den Katalogen der Fabriken
immer wieder.
Fritz von Heider-Magdeburg: Bierkrüge, ausgeführt von F. Schulze, Ziesar (Provinz Sachsen)
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