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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,2.1906

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1906)
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Batka, Richard: Von der Zukunft des Konzertwesens
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https://doi.org/10.11588/diglit.8629#0013

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Vem ctsr ^ukunkt cLes ^on^srtwesens

Neulich war ein junges Künstlerpaar bei mir. Nette Leutchen.
Sie singt, er spielt Klavier — und nun wollten sie mitsammen in die
Welt. Aber schon nach den ersten Schritten auf der dornigen Lausbahn
waren die Füße wund, war der Mut gesunken. Da galt es Tröstung
und Zuspruch. Die alte Geschichte. Natürlich hatten sie schon das
letzte Sümmchen flüssig gemacht, um aus dem Markt von Berlin, dem
Haupt-Musikmarkt zu konzertieren, sich einen „Namen" zu machen.
Ach, die Rezensenten, die an dem Tag vermutlich Dringlicheres zu
tun hatten, erwähnten kaum ihre Namen, in einer Zeitung wurde
ihr Spielen und Singen als „wenig interessant", in einer andern
beiläusig als „recht talentvoll" bezeichnet. Mit dieser so teuer erkauften
magern Kritikenernte war nichts anzusangen. Was tun? Was weiter?
Bange Sorgen luden sich ungebeten zu Gaste.

Jn die Provinz etwa? Da sei gar nichts zu holen! Die kleinen
Bürgerstädte knickern. Jn den Jndustriestädten sreilich gibt es hohes
Honorar, aber dafür gehe man dort nur auf Namen. d'Albert, Lilly
Lehmann, Joachim sei den Leuten dort gerade gut genug. Mau
komme ja nicht, um die und die Musik, sondern um den und den
berühmten Virtuosen zu hören. Wer geht in das Konzert eines
Namenlosen!

Das klang nun allerdings sehr traurig, aber wer konnte da
helfen? Jch überdachte das Kürrstlertum meiner Freunde. Beide
echt musikalische Menschen, warm empfindende Naturen; er ein
Spieler von achtbarer Technik; sie eine recht gut geschulte Sängerin
mit keinem großen aber sympathischen Organ. Keine stars, aber
tüchtige Kräfte. Sollte mit ihnen so gar nichts anzufangen sein?
Er, der Verbitterte, schalt natürlich aus den blöden Virtuosenkult
imd prophezeite den großen, allgemeinen Konzertkrach. „So geht
es doch einfach nicht mehr länger fort. Dieser Wucherflor des öffent-
lichen Musizierens muß seine Grenze finden, diese unheimliche Ver-
mehrung der Konzerte, der Künstler, der Musikvereine, der Privat-
unternehmungen, diese sieberhaste Steigerung der Opfer, der Rührig-
keit, der Reklame muß zu einem Rückschlag führen, sobald die un-
ausbleibliche Sättigung des Publikums eintritt und die Uebersätti-
gung beginnt. Die großen Virtuosen müssen die kleinen erdrücken
und selbst an der Nervenüberreizung zugrunde gehen." Daß er da
in seinem Mißmut nur sagte, was andere, unbeteiligte Pessimisten
längst vor ihm gemunkelt hatten, brauche ich wohl nicht erst zu be-
merken.

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