Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,2.1906

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1906)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8629#0041

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schablonen nicht in die Fülle des
unmittelbar Jndividuellen hinaus,
und das persönliche führt zu einem
Zerrbilde der Welt, wenn es nicht
genug „Begrifflichkeit" in sich trägt,
um sich daran immer wieder zu
reinigen und zu regeln. So wie
der Maler, der immer nur trieb-
mäßig seine eignen besondern Kör-
perverhältnisse in seinen Darstellun-
gen znr Geltung bringt, darüber
schließlich den Blick für die all-
gemeingültigen Maße einbüßt, aus
einem Künstler zum Manieristen und
aus dem Manieristen zum Karika-
turisten wird. Leopold weber

A Neue Erzählungen

„Das Gasthaus zum deutschen
Michel." Roman von Hennie
Rache (Schuster L Löffler, Berlin).
Ein Kleinstadtroman. Florian Feifser,
ein idealistischer Junggeselle, gründet
in seinem Stammwirtshaus, dem
Gasthaus zum deutschen Michel, einen
Bund, dessen Mitglieder sich ver-
pflichten, stets wahr zu sein. Flo-
rian denkt dabei vor allem an das
Wahrsein gegen sich selbst, seine
weniger idealistischen, engherzigen
Bundesgenossen ausschließlich an das
Wahr- und Rücksichtslossein gegen
andere. Statt sittlich vollkommener
zu werden, entwickeln sich Florians
Freunde immer mehr zu höchst un-
angenehmen, selbstgerechten Sitten-
richtern. Das muß gar bald zu
eiuer Katastrophe führen. Die junge
Frau Kara Hartmanu, der die Lust
in der kleinen Stadt zu dumpf, das
Leben zu eng ist, verliebt sich in
einen poetischen Menschen, der aus
Berlin hierher kam, und wird bei
einem Rendezvous mit ihm gesehn.
Die Bundesgenossen zwingen Flo-
rian, zu Or. Hartmann, Karas Gat-
ten, zu gehn und ihm über seine
Frau die Augen zu öffnen. Wurde
bis hierher mehr mit hübschem Hu-
mor das Leben der Kleinstadt und

ihrer wunderlichen, engen Menschen
geschildert, so gilt die zweite Hälfte
des Romans fast ausschließlich der
Schilderung, wie die Enthüllung der
Wahrheit auf Frau Kara, ihren Ehe-
mann und Florian wirkt. So wächst
sich auf einem leichthumoristischen
Hintergrund ein sehr ernsthaftes Pro-
blem aus. Die Verfasserin hat das
sehr geschickt und auch nicht ober-
flächlich angesaßt. Sie hat sich ihre
Aufgabe feruer nicht leicht gemacht,
denn die Hauptpersonen sind, wie
sich nun ausweist, durchaus keine
gewöhnlichen Menschen. Aber ihr
Roman ist zu knapp gehalten. Wir
erfahren in seinem ersten Teil zu
wenig über den Charakter dieses
Ehegatten und seiner Frau, um nicht
von ihrer Entwicklung, wie sie mit
der Katastrophe einsetzt, überrascht
zu werden. Das aber sollte nicht
sein. Eigentlich ist es nur der Cha-
rakter Florians, der sich nach allen
Seiten hin vor unsern Augen ent-
faltet und vertieft, ohne daß wir
davon überrumpelt werden. Hier
war also ausnahmsweise einmal ein
Roman nicht umfangreich genug für
sein Problem. Der Leser bedauert
das um so mehr, als die Zeichnung
Florians und die ganze Art, wie
Hennie Rache die Sache ansaßt, zeigt,
daß wir es mit einer Schriftstel-
lerin zu tun haben, die Beachtung
verdient.

„Der Frauen wunderlich
Wesen" Roman von Rudolf
Huch (E. Fleischel L Co., Berlin).
Auch ein Kleinstadtroman. Aber mehr
satirisch und gallig als humoristisch.
Dabei erschwert sich der Autor die
Kunstwirkung seines Romans noch
dadurch, daß ihm persönlich zunächst
nicht einmal die Heldin sympathisch
ist. Frau Hedwig Freyhold kommt
aus Berlin, wo sie in einem der
sogenannten literarisch angeregten
Kreise der Hauptstadt groß wurde,
die sich das Gehirn mit Redens-

s. Axrilhest lA06

29
 
Annotationen