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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,2.1906

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1906)
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Heft 15 (1. Maiheft 1906)
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Schultze-Naumburg, Paul: Kraftanlagen und Talsperren
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8629#0155

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beide Werte sind nicht einfach durch Vergleich zu ermitteln, aber
beide sind sür die Menschheit unschätzbar. Wir leben heut in einer
Zeit, in der die Masse der Menschheit die Schönheit in der Natur
nicht mehr zu erkennen vermag. Es gab auch eine Zeit, in der die
Menschheit die Schönheit des Kölner Doms nicht zu erkennen ver-
mochte. Das Urteil der Mehrheit ist wie in den meisten Dingen
nicht gleichbedeutend mit der Wahrheit.

Aber auch dem Zugeständnis, daß eine Talsperre in einem
gleichsörmigen Tale keine zu mißbilligende Anlage sei, möchte ich
die Einschränkung hinzusügen, daß ich es nicht sür wünschenswert
halten würde, daß nun deswegen jedes Tal unserer Erde unter
Wasser gesetzt würde, und daß wir zum Schluß nichts anderes als
stusenförmig hintereinander liegende Staubecken hätten.

Der Sinn unserer Zeit ist allerdings meist aus Raubbau ge-
richtet; man will alle Pslanzen mit den Wurzeln haben, man be-
gnügt sich nicht mehr mit einer Blüte. Es muß allmählich erkannt
werden, daß der Wert unserer technischen Anlagen nie allein
finanziell ausgedrückt werden kann. Es handelt sich stets
darum, zu erkennen, welche Werte sie sür allseitig harmonische
Kulturideale haben. Das Bewußtsein von dem Dasein solcher Jdeale
gilt es wieder zu beleben, sonst müssen wir uns in Zukunft schämen
vor den Zeiten, deren Tun von großen, aus Harmonie gerichteten
Menschbeitsideen gerragen waren. paul Schultze-Naumburg

Geälckts von KnLstasius Grün

Vorbemerkung. Anastasius Grün, der Graf Anton von
Auersperg, dessen hundertster Geburtstag in diese Tage fiel, war in Wirklich-
keit „der brave Soldat im Befreiungskriege der Menschheit", der zu sein
Heinrich Heine mit minder unansechtbarem Rechte sich rühmte. Nachdem er
znerst mit „Blättern der Liebe" und den Romanzen „Der letzte Ritter"
(Kaiser Max) hervorgetreten war, in denen der deutsche Geist Uhlandscher
Romantik lebt, schrieb er die „Spaziergänge eines Wiener Poeten", deren man
sich in Oesterrejch noch heute im Kampfe gegen die „Schranzen" und „Pfaffen"
bedient, und erstieg dann in den Dichtungen „Schutt" die Höhe des deutschen
weltbürgerlichen, sreiheitsbegeisterten Jdealismus. Anersperg hat seine frei-
sinnigen Anschauungen bekanntlich auch in den österreichischen Parlamenten
und Landtagen vertreten und ist später ein wackerer Kämpser des Deutsch-
tums gegen die Uebergriffe anderer Völker geworden. Was er als Dichter
war, tritt gegen seine politische und nationale Bedeutung immerhin zurück.
Vielleicht hat ihn als Poeten niemand besser als Julian Schmidt gekenn-
zeichnet, und so wollen wir nachlesen, was dieser über ihn schrieb:

„Was den Erfolg des Dichters begründete, war zunächst die Kühnheit,
mit der er die modernen Jnteressen und Bestrebungen von der poetischen
Seite beleuchtete. Früher hatte selbst der Liberalismus die Verstandesüber-
zeugung von den notwendigen Mitteln zum Fortschritt der Menschheit von
den Sympathien des Herzens getrennt; sein Verstand und seine Willenskraft

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