Kembranät
Lange hatte der Kampf hin- und hergewogt, bis der Unter-
gang der Arrnada den Tapfern half: nun waren die nördlichen
Niederlande frei. Getrennt von den katholifchen Südprovinzen, in
denen der Spanier König blieb, entwickelte fich rnit unerhörter
Schnelligkeit der kleine protestantische holländische Staatenbund. Die
Ostfee öffnete fich feinem Handel, als die Hansa fiel, die ostindifche
und die westindische Kompagnie brachten die Schätze eines Kolonial-
reichs heim, das in diefer Zeit ohnegleichen war. Holland herrschte
über die Meere. Und während man auf dem Lande den Degen
nah zur Linken behielt, arbeitete die freigewordene Rechte am
Friedenswerk. Religion, Wissenschaften und Künste beschäftigten den
einzelnen und erhielten rege Betriebe. Durch die ganze Knltur aber
ging als ein Heimliches Geisterringen der große Knlturkampf zwischen
Antike und Heimatlichkeit, von dem manche wohl deutlich genug
irgend ein nahes Stück, von dem aber nur wenige die Zufammenhänge
erkannten, und den zu keiner Zeit irgend ein Mitkämpfer ganz über-
sehen hat. Das Mittelalter hatte die neuen Nationen geboren, die
fich jetzt ins Abendland teilten. An ihrer Wiege fchon hatte die
Antike gestanden, gealtert, doch nicht gestorben, und in der Renaissance
hatte fie fich aus dem innern Zauber ihres Wesens heraus ver-
jüngt. Bei den Jtalienern war fie eine Verwandte, im Norden eine
Fremde.
Auch in dem kleinen Lehden am alten Rheine in Altholland
hatte fie ein Haus. Man hatt' es ihr aufgebaut zum Dank dafür,
daß fich Leyden gar fo tapfer gegen die Spanier gehalten hatte,
nun war die junge Univerfität fchon eine der angesehensten unter
den wenigen der Welt, und znmal die Leib-Schutz-Wissenschaft der
Antike, die Philologie, blühte hier, wie vielleicht nirgend fonst. Da-
neben stritten fich wacker die Theologen, an deren Kämpfen man
im Lande gar lebhaft anteilnahm, und bedeutende Mediziner rührten
an die fo lange gefcheuten Geheimnifse des Menschenleibes. Auch
der jnnge Müllersfohn Rembrandt hat zu den Hörern dieser Uni-
versitüt gehört. Nicht eigentlich zu ihren Kreisen, er war ja Maler.
Doch anch die Malerwelt jener Zeit stand nnter den Zeichen der
füdlichen Renaissance. Rembrandts Meister konnte ihm von Jtalien
erzählen, und wieviel Kunstgenossen noch konnten's, wenn fie zwifchen
den nahen Städten in Holland wanderten. Vor den mitgebrachten
Stichen, Zeichnungen und Kopien fchwärmten fie von der großen
Kunst dort unten, und die Hündler und Liebhaber führten zu ein-
h Iuliheft fZ06
329
Lange hatte der Kampf hin- und hergewogt, bis der Unter-
gang der Arrnada den Tapfern half: nun waren die nördlichen
Niederlande frei. Getrennt von den katholifchen Südprovinzen, in
denen der Spanier König blieb, entwickelte fich rnit unerhörter
Schnelligkeit der kleine protestantische holländische Staatenbund. Die
Ostfee öffnete fich feinem Handel, als die Hansa fiel, die ostindifche
und die westindische Kompagnie brachten die Schätze eines Kolonial-
reichs heim, das in diefer Zeit ohnegleichen war. Holland herrschte
über die Meere. Und während man auf dem Lande den Degen
nah zur Linken behielt, arbeitete die freigewordene Rechte am
Friedenswerk. Religion, Wissenschaften und Künste beschäftigten den
einzelnen und erhielten rege Betriebe. Durch die ganze Knltur aber
ging als ein Heimliches Geisterringen der große Knlturkampf zwischen
Antike und Heimatlichkeit, von dem manche wohl deutlich genug
irgend ein nahes Stück, von dem aber nur wenige die Zufammenhänge
erkannten, und den zu keiner Zeit irgend ein Mitkämpfer ganz über-
sehen hat. Das Mittelalter hatte die neuen Nationen geboren, die
fich jetzt ins Abendland teilten. An ihrer Wiege fchon hatte die
Antike gestanden, gealtert, doch nicht gestorben, und in der Renaissance
hatte fie fich aus dem innern Zauber ihres Wesens heraus ver-
jüngt. Bei den Jtalienern war fie eine Verwandte, im Norden eine
Fremde.
Auch in dem kleinen Lehden am alten Rheine in Altholland
hatte fie ein Haus. Man hatt' es ihr aufgebaut zum Dank dafür,
daß fich Leyden gar fo tapfer gegen die Spanier gehalten hatte,
nun war die junge Univerfität fchon eine der angesehensten unter
den wenigen der Welt, und znmal die Leib-Schutz-Wissenschaft der
Antike, die Philologie, blühte hier, wie vielleicht nirgend fonst. Da-
neben stritten fich wacker die Theologen, an deren Kämpfen man
im Lande gar lebhaft anteilnahm, und bedeutende Mediziner rührten
an die fo lange gefcheuten Geheimnifse des Menschenleibes. Auch
der jnnge Müllersfohn Rembrandt hat zu den Hörern dieser Uni-
versitüt gehört. Nicht eigentlich zu ihren Kreisen, er war ja Maler.
Doch anch die Malerwelt jener Zeit stand nnter den Zeichen der
füdlichen Renaissance. Rembrandts Meister konnte ihm von Jtalien
erzählen, und wieviel Kunstgenossen noch konnten's, wenn fie zwifchen
den nahen Städten in Holland wanderten. Vor den mitgebrachten
Stichen, Zeichnungen und Kopien fchwärmten fie von der großen
Kunst dort unten, und die Hündler und Liebhaber führten zu ein-
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