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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,1.1911

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1911)
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Batka, Richard: Franz Liszt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9028#0126
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gewissermaßen entdeckt, hier wurzelte die Musik eines Rafs, Cornelius,
Smetana, Draeseke, hier fand Berlioz eine Pflegestätte, hier legten
Ioachim, Bülow, Tausig den Grund zu einer neuen Vortragskunst,
hier sollte auch das Festspielhaus für Wagners Nibelungenring er-
stehen, hier verkehrte alles, was in Deutschland, was in der ge--
bildeten Welt Namen und Geltung hatte. Nnd wie in der ersten
Lebensperiode die schöne, eitle Gräfin d'Agoult das Leben des Meisters
geteilt hatte, so war es hier die nicht schöne, aber exzessiv geistvolle pol-
nische Fürstin CarolyneSayn-Wittgenstein, die ihrer Familie entslohen,
an die Seite Liszts getreten war und auf der Altenburg ihren Musen-
hof hielt. Aber diesem leuchtenden Künstlertraum folgte ein jähes
Erwachen. Die Trivialität der Welt rüttelte die Altenburger auf.
Das Philisterium erhob sein Haupt, es fiel Liszt in den Arm und
zerstörte seine stolzen Illusionen. Er mußte einsehen, daß die kleine
Stadt weder die geistigen noch die materiellen Mittel besaß, um
seine hochfliegenden Pläne zu verwirklichen. Der Fall des von ihm
beschützten „Barbiers von BagdaiL, den die Gegenpartei im Theater
auszischte, war nur der äußere Anlaß für Liszt, um seine Hoffnungen
völlig zu begraben und Weimar den Rücken zu kehren.

Er ging nach Rom, die Verheiratung mit der Fürstin zu betreiben.
Schon war die Kirche zur Trauung geschmückt, als Intrigen den
Bund in letzter Stunde vereitelten. Nnd nun reift im Herzen der
Fürstin ein neuer Gedanke. Sie, um deretwillen er sich lautlos von
Wagner getrennt hatte, entsagt ihren eigenen Ansprüchen auf Liszt,
um ihn für eine höhere Aufgabe zu weihen, für die sie ihn be-
stimmt glaubt. Er soll der Reformator der katholischen Kirchenmusik
werden. Indem sie an die schon in der Iugend des Künstlers heftig
hervorgebrochenen religiösen Triebe seiner Natur, an seine stets treu
bekundete katholische Weltanschauung anknüpft, weiß sie ihm seine
neue Sendung zu suggerieren. Liszt nimmt die Weihen und wird
Abbs. Der Papst sieht in ihm einen zweiten Palestrina. Aber die
hohe konservative, im italienischen Empfinden befangene Geistlich-
keit Roms ist Neuerungen abhold, und das Reformwerk kommt nicht
zustande...

Hatte die Kirche seine Dienste verschmäht, so rief ihn nun das
Vaterland. Fast mit Gewalt hatte sich Liszt schon als Virtuose in
einen ungarischen Patriotismus hineinphantasiert, der ihn, wie Cho-
pin, national farbig drapierte. Aber es blieb doch immer Kostüm.
Bald mußte er, der die Sprache des Landes, wo er den musikalischen
Nationalheros spielen sollte, nicht verstand, empfinden, daß man die
Echtheit und Nrwüchsigkeit seines Kolorits, seiner Volkszugehörigkeit
bezweifelte. Nnd so fühlte er sich doch recht daheim erst wieder in
Deutschland, wo ihn Weimar wiederum gastlich aufnahm, wo etwas
von den Idealen der Altenburg wieder in ihm auflebte, wo er seinen
Frieden mit dem ihm nun auch durch Familienbande nahe getretenen
Richard Wagner machte, wo die „edle Leidenschaft" für die Kunst
seines großen Freundes in reiner Flamme neu entbrannte, wo er
den Mittelpunkt eines Schülerkreises bildete, der seine Langmut und
— Schwäche freilich oft mißbrauchte. Es ist der Geist einer milden
Resignation, eines gütigen Gewährenlassens, der die letzten Iahre

2. Oktoberheft Wt B
 
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