Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,1.1911

DOI issue:
Heft 4 (2. Novemberheft 1911)
DOI article:
Wilhelm, Karl: Gesamtleben und Ausdruckskultur
DOI article:
Rath, Willy: Kleist: der Held im Dichter
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9028#0307
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
freien Vereinigungen daran, nicht bei jeder Gelegenheit nach Polizei
und Regierung zu rufen, sondern möglichst viel selbst zu erledigen.
Nur durch geschlossenes Austreten und deutliches Kundgeben unsrer
Forderungen nehmen wir den Gegnern die Möglichkeit zu sagen:
„Woher hatten wir wissen sollen, daß diese oder jene Anschauung so
weit verbreitet ist, daß es allen so ernst damit ist?" Wer ausspricht,
was er meint, und seine Handlungen den Ausdruck seiner Persönlich-
keit sein läßt, kann immer auf Gefährten rechnen, die sich freuen,
Gleichgesinnte zu treffen, welche die von ihnen mehr oder weniger
bewußt im stillen gehegten Ansichten öffentlich verkünden. Nur ver-
eint können alle wirksam werden. Karl Wilhelm

Kleist

der Held im Dichter

^^v^-elch ein Tag des Gedenkens, der erste Iahrhunderttag jenes
H Novembers, d<r Heinrich von Kleist in den märkischen
^^^Sand gesunken, von eigner Hand gefällt! Ist es nicht, als
wälze dieser eine Tragödienschluß uns allen Schmerz um den glück-
losen Erdenwandel so vieler Geisteshelden mit einemmal wieder aufs
Herz,- und alle Scham über so viel schmachvollen Andank der Nation
gegen ihre edelsten Einsamen? Denn wie freudig dürften wir, wenn
wir das trostlose Lebensbild vergessen könnten, das Lebenswerk dieses
Starken seiern — ohne die mildverklärende Pietät zu Hilfe zu rufen,
die sonst bei so manchem Gedenktag nicht fehlen darf! Nnd wie
zeugt selbst diese gelebte Tragödie — man muß sie nur kennen —
in jeglichem Zug für den hohen Wert des Helden!

Er war ein Dichter und ein Mann, wie einer,

Lr brauchte selbst dem Höchsten nicht zu weichen,

An Kraft sind wenige ihm zu vergleichen,

An unerhörtem Nnglück, glaub ich, keiner.

Ob diese schönen Bruderworte Friedrich Hebbels heute schon (schon!)
eins sind mit dem allgemeinen Nrteil der Deutschen über Heinrich
Kleist? Hosfen möchte man es, nach all der Arbeit der jüngsten Iahr-
zehnte zum tieferen Verständnis und mehreren Ruhm des Mannes
und des Dichters, nach der sehr langsam, aber sehr sicher gestiegenen
und noch steigenden Mitarbeit der Bühnen, nach der neuerdings
vielfältig betriebenen Verbreitung der Kleistischen Werke* Allein

* Empfehlenswerte (und sämtlich mehr oder minder wohlfeile) Gesamtaus-
gaben: von ErichSchmidtim Verein mit Georg Minde-Pouet und Reinhold
Steig (Meyers Klassiker-Ausgaben; fünf Bände mit gründlich kritischem und
erläuterndemZubehör); von Wilhelm Waetzoldt u.a.mit der biographischen
Einleitung von Adolf Wilbrandt (Bongs Goldene Klassiker-Bibliothek;
sechs Leile mitknappen Einzel-Einführungen); von Wilhelm Herzog (Insel-
Verlag; buchkünstlerisch schöne Ausgabe in sechs Bänden mit einführender
Charakteristik ohne Biographie und mit ausreichenden erläuternden Anhängen).
Vorm Erscheinen dieser Ausgaben hatte dieTheophilZollings (Spemanns
Nationalliteratur; vier Bände) besondere Verdienste. Ludwig Tieck hatte die
erste Gesamtausgabe geschaffen. Eduard Grisebach gab eine Auswahlsammlung
bei Neclam heraus. — Von den vielen neueren Schriften über Kleist seien hier
nur erwähnt: Reinhold Steig, „Kleists Berliner Kämpfe" und „NeueKunde
zu H. v. K.", sowie Otto Brahms verständnisreiche Biographie, die (zuerst

2G

Kunstwart XXV» ^
 
Annotationen