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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,1.1911

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1911)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9028#0140
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Lose Blätter

Liebe

Aus Elizabeth Barrett-Brownings „Portugiesischen Sonetten" in
deutschen Blankversen von Hans Boehm

^-ch dacht an Theokrit, wie er gesungen
ODie süßen Iahre, die ersehnten, lieben,

Die in den Gnadenhänden eine Gabe
Herniedertragen jedem Sterblichen;

Und als ich nachsann seinem alten Ton,

Erdämmerten vor mir durch meine Tränen
Die tranrig süßen, schwermutvollen Iahre,

Ach meine Iahre, und ein jedes warf
Ein Dunkel über mich.

Und wie ich weinte,

Glitt's hinter mir geheimnisvoll Heran

Und bog am Haar mich rückwärts, nnd es schol

Gebietend in mein Sträuben: ^Rate nun,

Wer hält dich?" — Und ich flüsterte: „Der Tod!"

Doch silbern tönt es wider: ^Tod nicht, . . . Liebe?"

^-a, geh von mir! Ich aber fühl es tief,

<)Daß ich hinfort in deinem Schatten steh.

Nie werd ich meiner Seele mehr gebieten
Allein auf meines eignen Lebens Schwelle,

Nie heiter mehr die Hand zur Sonne heben,
Daß ich nicht wüßte, was ich mir versagt:

Den sansten Druck von deiner Hand in meiner.

So weit uns auch das Schicksal scheiden mag,
Dein Herz bleibt doch in mir mit Doppelpulsen,
Was ich nun tu und träume, schließt dich ein,
Wie Wein nach seinen Trauben duften muß.
Und ruf ich Gott um meinetwillen an,

So hört er deinen Namen und erblickt
In meinem Aug die Tränen von uns beiden.

och Liebe, einfach Liebe, ist schon köstlich,

-^Ist wohl des Nehmens wert. Das Feuer leuchtet,
Gleichviel ob Tempel brennen oder Werg;

Ankraut und Zedern glühn mit gleichem Licht.

2. Oktoberheft

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