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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,1.1911

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Heft 3 (1. Novemberheft 1911)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9028#0289
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liche Männer da sind und daß ehr-
liche Männer voneinander abwei-
chen können.

Wer immer tadelt oder immer
lobt, ist kein Patriot.

Wären alle süße, kriechende Hof-
leute — wären alle saure Amzu-
friedene: in beiden Fällen würde
das Wohl des Ganzen übel ge-
deihen.

Ein Patriot könnte kaum wün-
schen, daß es im Staate keine
Gegensätze gäbe. -Ein Patriot wird
keinen Mann nur um deswillen
achten, weil er seiner Partei an-
gehört.

Der Parteimann mißversteht sich
leicht als einen Patrioten.

Diese Worte stammen vonBer-
keley. Bischof Berkeleh (f685 bis
(753) ist einer der größten Philo-
sophen und Schriftsteller Englands
gewesen. Seine Erkenntnistheorie

ist durch ihren Erneuerer, Scho-
penhauer, einem verhältnismäßig
breiten Publikum bekannt geworden
und die Geschichte mancher Spezial-
wissenschaft, sogar die der Mathe-
matik, nennt seinen Namen mit
Achtung. Dagegen sind seine ethi-
schen Schriften, sehr mit An-
recht, verschollen. Die im folgen-
den von mir übersetzten Fragmente
zeigen Berkeley als Ethiker — und
als G ra n ds ei g n e u r. Diese
Maximen gehen dem Geistreichen
sehr sorgsam aus dem Wege; man
wird sie aber um deswillen ganz
gewiß nicht für trivial halten. „So
spricht man nicht zu Völkern",
herrschte Napoleon seine König-
lichen Antergebenen an, wenn sie
in ihren Proklamationen irgendeine
Redseligkeit oder Geistreichelei an-
brachten. (Beides ist dasselbe.)
Wohl, Bischof Berkeley sprach zum
englischen Volk. F. K.

Unsre Bilder und Noten

^BM^as Blatt nach dem Bilde von B. Berneis, das die Besucher der
^diesjährigen Berliner Sezessionsausstellung wohl noch gut in Er-
innerung haben, paßt schön in die Jahreszeit. Das kraftstrotzende
Gemälde scheint ein Gewebe aus Nässe und Licht. Aber aus den malerischen
Flecken wächst zugleich eine jener wundervollen Naturstimmungen heraus,
die hundertmal häufiger in der Welt genießt, wer seine Augen geübt hat,
daß sie sehen können. — Wir geben mit diesem Blatt nach Oberländers
„Hühnerhof" im ersten Oktoberhefte ein zweites Beispiel unsrer neuen
Reproduktionstechnik. Das Bild mußte für die Kunstwartauflage viermal
geätzt werden, und nicht alle Atzungen konnte man ganz gleichwertig her-
stellen — darin liegt bei diesen neuen Maschinengravüren noch eine
Schwierigkeit, wie sie überhaupt an alle beteiligten Techniker, den Photo-
graphen, den Ätzer und den Drucker, noch sehr große Anforderungen stellt.
Aber keine andre Reproduktionstechnik ohne Handdruck wäre imstande
gewesen, eine so große Skala vom Dunkelsten bis zum Hellsten mit allen
Abergängen zugleich kraftvoll, klar, mit dem „Sammet" der Tiefe und
dem „Atlas" der zarten Lichtwirkungen f o herauszubringen.

Das farbige Blatt nach Rene Reinicke wollten wir „eigentlich"
zusammen mit dem farbigen nach Dill im vorigen Hefte bringen — aber
man sollte es nach einem solchen doch lieber erst ansehn, wenn man inzwi-
schen einen Spaziergang gemacht oder mindestens zu Abend gegessen hat.
Sonst könnte es recht anschaulich zeigen, in wie starkem Maße

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