Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,1.1911

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1911)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9028#0321
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ihr Vertrauen drängen, um so weniger als ich mir ja denken kann,
was Sie von hier forttreibt.

Maner: Es ist diesmal kein Anlaß, Ihnen über Ihren Scharfblick
ein Kompliment zu machen. Sie gestatten mir jetzt, gnädige Frau, mich
zu entfernen.

Genia: Ich habe Ihnen nichts zu gestatten und nichts zu verbieten.
Besonders als ... gnädige Frau. Leben Sie wohl, lieber Doktor! —
Amd — bitte lassen Sie mich Fhnen noch eine Mahnung mit auf hen
Weg geben! — Nehmen Sie's nicht gar zu schwer. Es wäre doch lächer--
lich, wenn Sie, ein Mensch, der das Leben von seiner ernstesten Seite
kennt, dergleichen Spielerei und Spiel wichtig nähme. Liebessachen
sind nichts andres, Doktor, glauben Sie mir. And wenn man erst
drauf gekommen ist, sie sehr lustig anzusehn — und mitzumachen.

Mauer: Wenn man drauf gekommen ist . . .

Genia: Werden Sie auch, lieber Freund. Die dummen, schweren
Worte, die Jhnen durch den Sinn gehn, die blasen Sie nur gefälligst in
die Luft. And Sie werden sehn, wie leicht sie eigentlich sind. Sie
fliegen . . . alle ... sie verwehn, diese schweren, dummen Worte . . .

Mauer: Es gibt vielleicht wirklich nur ein Schweres auf der Welt —
und das heißt Lüge.

Genia: Lüge? Gibt's denn das in einem Spiel? List oder Spaß
heißt es da.

Mauer: Spiel —?! Ia, wenn es so wäre! . . . Ich versichere Sie,
Genia, nicht das geringste hätt ich einzuwenden gegen eine Welt, in der
die Liebe wirklich nichts andres wäre als ein köstliches Spiel . . . Aber
dann . . . dann ehrlich, bitte! Ehrlich bis zur Orgie. . . . Das ließ ich
gelten. Aber dies Ineinander von Zurückhaltung und Frechheit, von
feiger Eifersucht und erlogenem Gleichmut — von rasender Leidenschaft
und leerer Lust, wie ich es hier sehe — das find ich trübselig und
grauenhaft . . . Der Freiheit, die sich hier brüstet, der fehlt es am
Glauben an sich selbst. Darum gelingt ihr die heitre Miene nicht, die sie
so sgerne annehmen möchte . . . darum grinst sie . . . wo sie lachen will.

Genia: Sie sind ungerecht, Doktor. Wir geben uns ja alle Mühe.
So rasch geht das freilich nicht. Aber wir haben die beste Absicht.
Merken Sie's nicht? Adele Natter, zuin Beispiel, bringt ihre Kinder
mit in unser Haus, ich plaudre mit Erna, als wäre der Weiher von Völs
das harmloseste Wasser von 'der Welt, Friedrich spielt seine Tennis--
partie mit dem Herrn Fähnrich von Aigner . . .

Mauer: Warum sollte er nicht?

Genia: O, Doktor! . . .

Mauer: Ia, ich weiß . . . auch das . . .

Genia: Wer hat es Ihnen gesagt?

Mauer: Wer —? Geben Sie acht, Genia. Friedrich selbst.

(Die Tennispartie ist zu Ende. Die Teilnehmer kommen allmählich
näher.)

Genia: Friedrich . . .?! Natürlich ahnt er. Ich hab es gleich
in seinem Blick gelesen . . . als er uns vom Balkon aus begrüßte . . .
Aber wozu dies warnende „Gebeü Sie acht" — ? Er wird es mir nicht
übelnehmen. — Vielleicht hätte sich Otto auch umgebracht — wie jener
andre. Und man darf doch einen jungen Menschen einer solchen Kleinig--

260 Kunstwart XXV, 4
 
Annotationen