Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0102

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

Mein Brnder Rudolf.

schneiden. „Nein, Doktor!" protestierte er, „den Kopf, aber nicht den
Arm!" Das Glied blieb erhalten, wurde wieder brauchbar und kräftig,
nur bezeichnete eine faustgroße Knochenverdickung (Oalln.8) noch beinahe
zwei Jahre nachher, als er im Herbst 1849 nach Haufe kam, die
Stelle, wo der Knochen zersplittert worden war. Als ich fragte: „wo
hast dn die Splitter hingebracht?" lächelte er listig: „ich habe sie an
vielen Orten versenkt, im See der Hauptstadt Mexiko, im mexikanischen
Meerbusen, andre im Mississippi und Ohio, etliche im atlantischen
Meer und der Nordsee, die letzten im Rhein und Neckar." — „Warum
denn so weit auseinander?" — „Die Sache ist leicht zu begreifen,
mein lieber Brnder. Du weißt ja, wir müssen im Fleische anferstehen,
und ich bin ein großer Sünder. Ruft mich die Weltposaune vor das
jüngste Gericht, so gewinne ich Zeit, und es mag manches Jahr ver-
gehen, bis ich meine Knochen zusammengefunden habe."

Eine echte Landsknecht-Natur! Er ist nach Nordamerika zurück-
gekehrt, überschickte mir das Manuskript der Geschichte seiner Aben-
tener nach Kandern, wo ich mich als Arzt niedergelassen hatte, und
Ichrieb dazu: „Die Union hat mich reichlich mit Land bedacht und
mir eine Pension ausgesetzt, so daß zeitlebens für meine Bedürfnisse
wohl gesorgt ist. Du siehst, ich habe es ohne Gelehrsamkeit weiter
gebracht, als du mit deinem Studium." — Jm fernen Westen, als
ein Farmer nnd ehrwürdiger Patriarch, starb er vor einigen Jahren
im Kreise seiner Kinder und Enkel.
 
Annotationen