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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0128

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108

Der Maulesel.

eine Scene bedenklich wurde, nnd mir zusprach, ich solle nicht bange sein,
denn alles, was auf der Bühne vorgehe, sei kein wirkliches Ereignis,
sondern eitel Blendwerk.

Gleich zu Beginn des ersten Aktes, wo der gottlose Kavalier
den Gouvernenr mit dem Degen niedersticht und dieser singend das
Leben anshaucht, flüsterte mir der Kanzleirat zu: „Ängstige dich nicht,
mein Kind, der Stich hat dem alten Manne nichts gethan, er stellt
sich nur tot." — So ging es durch die ganze Oper sort, und bei den
schönsten Scenen, wo es gehörig Hiebe absetzte, quülte mich der lästige
Nachbar mit seinem Zuspruch. — Ja, zuletzt noch beim Aufbruch,
nachdem der Bösewicht in den Flammen der Hölle versunken war,
mahnte er mich: „Gräme dich nicht, mein Söhnchen, um den Don
Juan, ich kenn' ihn persönlich, er ist ein braver Mann und geht jetzt
ganz solide nach Hause. Seine Frau wartet auf ihn mit dem Essen,
und es ist kein Scheinessen, wie das Geflügel aus Pappe, das ihm
sein Bedienter, der Leporello, vorgesetzt hat."

Wie damals in Karlsruhe, stand ich jetzt als Mulus mit heißem
Erwarten vor dem Vorhang einer Bühne, doch sollte sich darauf wirk-
liches Leben abspielen, das fröhliche Burschenleben, und ich selbst mit-
spielen auf der akademischen Bühne. Sicherlich setzte es dabei Hiebe
ab und richtige, wirkliche Hiebe, die mir kein Kanzleirat als Blend-
werk ausreden konnte, doch war meine Haut nicht sehr empstndlich
und ich hatte kräftige Arme, mich zu wehren. Auch ist es von der
Natur gut eingerichtet, daß die Jugend Schmerzen leichter vergißt,
als gute Bissen, die ihr ein gütiges Geschick zwischen hinein auftischt.
 
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