Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0140

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
120 Die Studentenschaft der kupsrto-6r>.rol9. bis 1840.

neue Regent die Reform der Hochschule ins Werk setzte. Jn geheime
Orden und Landsmannschaften geteilch überboten sie einander in rohen
Ausschreitungen, Duellen und Prügeleien, die akademische Freiheit ver-
wechselnd mit Zügellosigkeit. Karl Friedrich trat dem wüsten Treiben
mit scharfen Erlassen entgegen, doch hätten diese allein wenig ans-
gerichtet, wenn nicht die besseren Lehrer und Einrichtungen der Uni-
versität auch bessere Schüler nach Heidelberg gebracht hätten. Sie
kamen aus ganz Deutschland und besaßen oder gewannen eine richtigere
Einsicht in Wesen nnd Zweck des akademischen Stndiums, in die sitt-
lichen und nationalen Anfgaben der Universitäten. Ein kräftiger Drang
zur Reform brach damit auch in dem Verbindungswesen durch.

Dieses bessere Streben fand seinen ersten Ausdruck in der Grün-
dung der Korps, die sich an Stelle der Orden nnd Landsmannschasten
bildeten. Sie bedeuteten einen wirklichen Fortschritt im Verkehr der
Stndenten unter sich und mit der Außenwelt, indem sie nicht bloß
das Holzen, wie man die Prügeleien nannte, sondern jede thätliche
Beleidigung der Kommilitonen unter sich strenge verdammten nnd
die kommentmäßigen Grenzen der wörtlichen Beleidigung scharf sest-
stellten. Jm Fall die Beleidigung eine „Satisfaktion" durch die
Waffen erheischte, so regelte der Komment genau die Wahl der Wafsen
und die Art ihrer Führung. — Die Regierung verkannte das Lob-
liche dieser Bewegnng, sie sah in den Korps nichts als die alten,
gänzlich verrohten Landsmannschaften unter neuem Namen und schritt
auf das schärfste gegen sie ein. Um sie gleich im Beginn ihrer
Gründung sicher zu vernichten, ließ die Behörde 44 Studierende auf
einmal relegieren, ohne jedoch ihr Ziel zu erreichen. — Es läßt sich
freilich nicht in Abrede stellen, daß die Korps noch in vielen Stücken
die Nachfolger der alten Landsmannschaften waren, wie sie denn an-
sangs auch die Aufnahme ihrer Mitglieder von deren Heimat abhängig
machten.

Die Befreiungskriege brachten neue Gedanken und Ziele in das
deutsche Verbindungswesen. Viele Jünglinge hatten den Krieg mit-
gemacht. Sie kamen als feurige Patrioten an die Universitäten zurück,
das Treiben der Korps befriedigte sie nicht, ihre Blicke gingen über
die landsmannschaftlichen Grenzen hinaus in das weite, gemeinsame
 
Annotationen