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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0142

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Die Studentenschaft der Lu^srto-Oarolg. bis 1840.

mäßiges Benehmen gegen einander, faßten auch wohl in allgemeinen
studentischen Angelegenheiten gemeinsam Beschlüsse.

So blieb es bis zur Julirevolution 1830. Die große Auf-
regung, die sie in Deutschland hervorrief, wurde geführlich für die
Burschenschaften. Die Heidelberger beteiligten sich als Körperschaft
im Mai 1832 an dem Hambacher Feste, dessen Teilnehmer als Auf-
wiegler und Hochverräter in Untersuchnng gezogen wurden. Einige
ihrer Mitglieder halfen sogar im April 1833 bei dem Frankfurter
Attentat die Hauptwache stürmen. Danach brachen schwere Zeiten
herein. Die bloße Teilnahme an der Bnrschenschaft war Hochverrat.
Viele ihrer Mitglieder slüchteten über die Grenzen, selbst über das
Weltmeer, andre büßten den Rausch der Jugend mit langer Kerker-
haft. Die preußische Regierung verhängte sogar Todesstrafe, teils anf
dem Rade, teils dnrch Enthauptung, aber vollzog sie nicht. Jn Baden
ließ man es bei leichter Haft in der sog. Festung Kißlau bei Bruchsal
bewenden.

Seitdem blieb die Burschenschaft in Heidelberg unterdrückt; jeder
Versuch sie neu ausznthnn, zog unfehlbar die Relegation nach sich.
Auch die Korps waren anfangs streng verboten und fristeten ein
kümmerliches Dasein, wurden jedoch nach wenigen Jahren stistschweigend
geduldet, nur durften sie öffentlich keine Farben tragen.

Die ganze Universität mußte für die Sünden der Burschenschaft
büßen, mit ihr die badische Schwesteruniversität in Freiburg. Die
preußische Regierung verbot 1833 den Besuch beider als Hochschulen der
Demagogie. Die Zahl ihrer Stndierenden sank bedeutend. Jn Heidelberg
waren drei Korps aus Mangel an Leuten sofort gezwungen, sich auf-
zulösen. Erst 1839 nahm Preußen sein Verbot zurück.

Am 1. April 1840 zeigten die Korps bei der feierlichen Be-
stattung des Professors Thibaut, daß sie von neuem bedeutend erstarkt
waren. Sie veranstalteten dem hochverehrten Lehrer einen großartigen
Leichenzug, wie ihn Heidelberg nie gesehen, und die gesamte Studenten-
schaft fügte sich willig ihrer Leitung. Mit dem ganzen Pompe studen-
tischer Aufzüge bewegte er sich durch die Straßen. Jch war im letzten
Jahre Lyceist, tief ergriffen sah und bewunderte ich den Glanz und
die Herrlichkeit des Burschentums.
 
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