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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0146

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Das Schwabenkorps.

Beamten- und Bauernsöhne einander als freie und gleiche Burschen
ehrten; auf die „obsknren Kamele", die sich kein farbiges Band im
Turnier erstritten, sahen wir mitleidig, viele mit Verachtung herab.

Das Schlägerschlagen kräftigt den Arm, der die Waffe führt,
aber die Muskeln des übrigen Leibs haben wenig Nutzen davon. An
den drei Universitäten Jena, Erlangen und Würzburg hatte noch vor
kurzem der Stoßkomment gegolten, die Mensuren wurden mit dem
Stoßdegen, Pariser genannt, ausgefochten, man hatte sich deshalb
dort auf dem Fechtboden mit Stoßrappieren eingeübt. Diese Uebungen
im Fleuret- oder Stoßfechten nahmen weit mehr die gesamte Mus-
kulatur in Anspruch, als die mit dem Schlügerrappier, und machen
den Leib gewandter, aber die Mensur auf Pariser war weit gefähr-
licher, als die auf Schläger. Die fpitze Klinge des Parifers drang
leicht in die Lungen, der Verletzte warf Blut aus und wurde nur zu
oft siech und fchwindsüchtig, wenn er nicht gar tot auf dem Platze
blieb. Die Regierungen hatten lange vergeblich versucht, diese aefähr-
lichen Paukereien aus der Welt zu schaffen; sie waren glücklich, als
die Studenten endlich felbst den Stoßkomment mit dem minder bedenk-
lichen Hiebkomment vertauschten.

Anf dem Fechtboden wurden die Füchse streng ermahnt, nicht
bloß hauen, fondern auch parieren zu lernen. Geholzt fei nicht ge-
fochten. Die Aufgabe eines guten Schlägers fei die, den Gegner zu
zeichnen, aber man solle sich nicht zeichnen lassen. Es sei eine Schmach,
wenn das Paukbuch, worin das Korps die sämtlichen von ihm aus-
geteilten und empfangenen „Schmisfe", d. i. Wunden, eintrug, am
Ende des Semefters eine Unterbilanz zeige, und die Suevia vielleicht
sogar eine Reihe von „Abfuhren" erlitten habe. „Abgeführt" war der
Pankant dann, wenn er infolge der Verwundung den Kampf auf-
geben mußte. — Jn dem befferen Parieren, vielleicht auch in der
damals üblichen verhängten Auslage, die das Parieren leichter machte,
mag die Ursache zu fuchen fein, daß die gräulichen Verunzierungen
des Gesichtes, wie fie heute so häufig sind, damals feltener vorkamen.

Neben dem Pauken fpielte das Kommersieren eine wichtige Rolle
im Leben des Korpsstudenten. Die Verbindung kommersierte unter
sich oder bei dem Antritts- und Abfchiedskommers der Korps mit allen
 
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