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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0195

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In lllörlloriaiQ'

175

Studien. Da ich inzwischen daselbst Dozent geworden war, konnte
ich ihm vielfach nützlich sein. Es ist ihm nicht leicht geworden, wie
er mir mehrmals klagte, das Denken des Juristen mit dem des Medi-
ziners zu vertauschen. Während sich jenes in Syllogismen streng an
der Schnur der Gesetzesparagraphen zum festen Urteil fortbewegt,
läuft das medizinische suchend und vergleichend durch eine labyrinthische
Galerie von Bildern, ehe es zum Abschluß nnd Entschluß gelangt.
Dennoch ist unser Jurist schließlich ein guter Arzt geworden.

Nach glücklich bestandenem Examen ließ sich Volk in seiner Vater-
stadt nieder. Papa Volk, wie ihn schon als Knaben seine Mitschüler
nannten, gewann das ärztliche und politische Vertrauen seiner Mit-
bürger. Kaum ein andres Gemeinwesen des Großherzogtums ist so
in politische Parteien gespalten, wie Offenburg, aber die Bürgerschaft
erwählte ihn einmütig dreimal von je fünf zu fünf Jahren zu ihrem
Bürgermeister. Leider unterlag er am 1. März 1890 den Folgen
der Krankheit, die ihn als Flüchtling in Zürich heimgesucht hatte. *)

Volk hinterließ eine lesenswerte Schrift: „Hexen in der Land-
schaft Ortenau und der Reichsstadt Offenbnrg," Lahr, 1882, einen
wertvollen Beitrag zur Geschichte des Hexenwesens.

Jn der Alemannia war Volk weitaus der beste Redner ge-
wesen. Jch habe ihn zuletzt, als er in Osfenburg bei einer öffent-
lichen Feier seine Vaterstadt vertreten mnßte, reden gehört und der
volkstümlichen, kernigen Worte mich gefreut, die er an die Teil-
nehmer des Festes richtete. Am 29. Juli 1883 wurde in Gegenwart
zahlreicher Gäste das Denkmal Okens eingeweiht, das die Stadt dem
verdienten Naturforscher und Patrioten in Gestalt einer wohlgelungnen,
von Volz in Karlsruhe ausgeführten Büste auf einen ihrer Brunnen
gesetzt hat. Lorenz Oken (eigentlich Okenfuß) ist als armer Bauern-
knabe in dem Dörfchen Bohlsbach bei Osfenburg zur Welt gekommen
und hat anf dem Gymnasium dieser Stadt seine erste gelehrte Bildung
empfangen. Neben den Naturforschern der benachbarten Universitäten
waren deshalb auch der Gemeindevorstand von Bohlsbach, die Schul-
jugend des Dorfs und das Gymnasium von Osfenburg zu der Ein-

*) v. Weech, a. a. O. Bd. II, S. 480.
 
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