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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0214

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194

Friedrich Tiedemann.

berg berufen, ein tüchtiger Mann. Er führte die anatomischen Prä-
parierübungen in Heidelberg ein und erteilte zugleich den ersten prak-
tischen, zunächst nur poliklinischen Unterricht in Medizin und Chirurgie.
Die Stadt schätzte ihn als geschickten Arzt, und er stand noch in den
vierziger Jahren bei der Bevölkerung in gutem Andenken.

Wie man sieht, vertrat Ackermann vier Hauptfächer der Heil-
knnde: Anatomie, Physiologie, innere Medizin und Chirurgie mit Ein-
schluß der Augenheilkunde. Der damalige Umfang dieser Wissenschaften
gestattete der Krast eines Einzigen auszusühren, was heute uur der
vereinten Thätigkeit von fast einem Dutzend Professoren gelingt.

Am meisten kann man erstaunen und erschrecken über die heute
unerlaubte Verbindung der Anatomie und Chirurgie in einer Professur.
Wenn dieselbe Hand morgens Leichen präparierte, kurz bevor sie Ab-
scesse eröffnete, Glieder abnahm oder Wunden verband, so lief der
Kranke Gefahr, daß ihm tödliches Gift vom Leichentisch in die Wunde
übertragen wurde. Der Chirurg beraubte sich so selbst durch seinen
weiteren Beruf als Anatom der Frucht seiner Arbeit. Man stack
eben noch in der tiefsten Unwissenheit über die Natur und die Quellen
der Wund- und Blutvergiftungen, der Jnsektionen durch faulige Stoffe
und Eiter. Glücklicherweise bestand diese Vereinigung von Anatomie
und Chirurgie in Heidelberg nur bis zu Ackermanus Tvd 1815.
Schon 1816 wurden die beiden Professuren getrennt, die Anatomie
nebst der Physiologie Tiedemann, die Chirurgie nebst der Augenheil-
kunde Chelius zugewiesen. So geschickt anch Chelius war, so ver-
dankte er doch den Ruf einer glücklichen Hand zum guten Teil dem Um-
stand, daß er nur in dem kurzen Sommersemester, wenn er den
Operationskurs erteilte, mit Leichen zu thun hatte. — Anders war
es z. B. in Göttingen, wo Martin Langenbeck Professor der Anatomie
und Chirurgie bis zum Ende der vierziger Jahre in einer Person
war. Er empfand es als eine schwere Kränkung, als man ihn end-
lich in seinem 72. Lebensjahre nötigte, das chirurgische Lehramt auf-
zugeben, denn er fühlte sich noch kräftig genug zur Besorgung der
beiden Professnren.

Unter Tiedemanns Leitung verschaffte sich die Heidelberger ana-
tomische Anstalt bald einen großen Ruf im Jn- und Ausland. Beim
 
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