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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0252

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232

Franz Karl Naegele.

Naegele blieb mir stets gewogen. Er riet mir, die akademische
Laufbahn einzuschlagen, doch durfte ich daran nicht denken,.

So oft ich nach Heidelberg kam, suchte ich ihn auf, zuletzt im
Herbst 1849. Jch fand ihn tief gedrückt. Die Revolution hatte
dem alten Manne arg mitgefpielt, obwohl ihm kein persönliches Leid
widerfahren war. Ein abgesagter Feind der Politik hatte er mir einst
erklärt, eine Wöchnerinnensnppe interessiere ihn mehr, als alle Politik,
im Jahre 1848 rächte sie sich. Tagtäglich wurde vor seinem Haus
am Ludwigsplatz exerziert, kommandiert und getrommelt, das Hecker-
lied gesungen und „Schleswig-Holstein meerumschlungen." Freischürler
und Soldaten aller Wafsengattungen marschierten auf, Freund und
Feind nahm Quartier bei ihm, die bewaffnete Macht vertrieb sogar
1849 die weibliche Besatzung seiner Anstalt und nahm die Räume
selbst ein. Die Aufregung darüber brach die letzte Kraft des alten
Herrn, er überlebte das schreckliche Jahr nicht lange.

Die Anregungen, die mir mein Lehrer erteilte, waren nicht ver-
loren. Zwar habe ich die Geburtshilfe nur 5—6 Jahre ausgeübt, aber
meine 1859 erschienene Schrift über eine Klasse wichtiger Bildungsfehler
der Gebärmutter hat gezeigt, daß der Same, den er ausgestreut, auf
keinen unfruchtbaren Boden gefallen ist.
 
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