DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0267
Karl von Pfeufer.
247
bereits absolviert hatte, jene bei Puchelt, diese schon im dritten Semester
bei dem a. o. Professor Dierbach, einem alten bescheidenen Männchen
(geb. 1788, gest. 1845). Er lehrte seit 1817 an der Hochschule, war
ursprünglich und wesentlich Pharmazent und ein grundgelehrter Bo-
taniker, mit der Medizin praktisch jedoch nicht vertraut. Er hat u. a.
eine 4llora apioiarm (Flora für Leckermäuler) und eine üüoim m^büo-
lo^ioa verfaßt. Die außer Gebrauch gekommenen Kräuter waren ihm
die interesfantesten und die Frage, mit welchem Oele sich die Hexen
beim Walpurgisritt eingerieben haben mochten, für ihn ein Gegen-
stand ernster Erwägnng. Er entschied sich für das grüne Bilsen-
krautöl. — Pfenfer sprach frei, war stets sorgfältig vorbereitet, der
Stndent konnte aus seiner Vorlesung ein „gutes Heft" nach Hause tragen.
Mochte unser Lehrer auch in ernster und würdigster Haltung
mit uns verkehren, unter seinen Frennden war er ein heiterer, beliebter
Gesellschafter. Bei öfsentlichen Gelegenheiten that er sich wieder-
holt als guter und geistreicher Redner hervor und verschaffte sich bald
Ansehen in den liberalen Kreisen der Stadt. Man rühmte seine
Zunge, sie sand wie beim Trinksprnch, so bei der Auswahl der Weine
das Beste und Feinste. Er stand hierin seinem Freunde, dem Ge-
schichtsforscher Hüußer am nächsten. Uns Medizinern schärste er als
ärztliche Pflicht ein, alle unsere Sinne im Jnteresse unserer Clienten
möglichst auszubilden und insbesondere dem Geschmackssinn sein gutes
Recht nicht vorzuenthalten, selbst anf die Gefahr des Zipperleins hin.
Kehre es bei uns ein, so möchten wir uns mit Sydenham, dem eng-
lischen Hippokrates, trösten: di" Gicht bevorzuge die geistreichen Leute.
Diese schmeichelhafte Aussicht gefiel uns; wir hossten, einer solchen
Auszeichnung mit der Zeit würdig befunden zn werden; einstweilen
beneideten wir unsern Meister, wenn er zeitweise mit schmerzhaftem
Großzehenballen über die spitzen Steine des Spitalhofs zur Klinik
hinkte.
247
bereits absolviert hatte, jene bei Puchelt, diese schon im dritten Semester
bei dem a. o. Professor Dierbach, einem alten bescheidenen Männchen
(geb. 1788, gest. 1845). Er lehrte seit 1817 an der Hochschule, war
ursprünglich und wesentlich Pharmazent und ein grundgelehrter Bo-
taniker, mit der Medizin praktisch jedoch nicht vertraut. Er hat u. a.
eine 4llora apioiarm (Flora für Leckermäuler) und eine üüoim m^büo-
lo^ioa verfaßt. Die außer Gebrauch gekommenen Kräuter waren ihm
die interesfantesten und die Frage, mit welchem Oele sich die Hexen
beim Walpurgisritt eingerieben haben mochten, für ihn ein Gegen-
stand ernster Erwägnng. Er entschied sich für das grüne Bilsen-
krautöl. — Pfenfer sprach frei, war stets sorgfältig vorbereitet, der
Stndent konnte aus seiner Vorlesung ein „gutes Heft" nach Hause tragen.
Mochte unser Lehrer auch in ernster und würdigster Haltung
mit uns verkehren, unter seinen Frennden war er ein heiterer, beliebter
Gesellschafter. Bei öfsentlichen Gelegenheiten that er sich wieder-
holt als guter und geistreicher Redner hervor und verschaffte sich bald
Ansehen in den liberalen Kreisen der Stadt. Man rühmte seine
Zunge, sie sand wie beim Trinksprnch, so bei der Auswahl der Weine
das Beste und Feinste. Er stand hierin seinem Freunde, dem Ge-
schichtsforscher Hüußer am nächsten. Uns Medizinern schärste er als
ärztliche Pflicht ein, alle unsere Sinne im Jnteresse unserer Clienten
möglichst auszubilden und insbesondere dem Geschmackssinn sein gutes
Recht nicht vorzuenthalten, selbst anf die Gefahr des Zipperleins hin.
Kehre es bei uns ein, so möchten wir uns mit Sydenham, dem eng-
lischen Hippokrates, trösten: di" Gicht bevorzuge die geistreichen Leute.
Diese schmeichelhafte Aussicht gefiel uns; wir hossten, einer solchen
Auszeichnung mit der Zeit würdig befunden zn werden; einstweilen
beneideten wir unsern Meister, wenn er zeitweise mit schmerzhaftem
Großzehenballen über die spitzen Steine des Spitalhofs zur Klinik
hinkte.