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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0276

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Die gelöste Preisfrage.

(Lahr, 1854). Sie erkennt mir ein doppeltes Verdienst zu. Jch
hätte, erzählt sie, als der erste die Frage aufgeworfen und richtig
formuliert, warum das inuere Auge dunkel erfcheine, und ich hätte
gleichfalls zuerst mich bemüht, aus Merys Verfuchen Nutzen für die
Praxis zu zieheu. Jn der That machte ich den ersten Verfuch, einen
Augenspiegel zu konstruieren. Es gereicht mir noch heute zur größten
Frende, als Student zuerst die Bedeutung eines Problems erkannt zu
haben, das freilich nur das Genie eines Helmholtz zu lösen vermochte.
Jch gab meine Abhandlung vor meinem Abgang von der Universität
an Ostern 1845 heraus. Sie führt den Titel: „Die Farbenerfchei-
nungen im Grunde des menschlichen Auges. Heidelberg, Karl Groos,"
1845. Jch befchrieb darin den Augenspiegel, den ich konstruiert hatte,
und fagte den Nutzen vorher, den es haben müffe, wann es gelänge,
den Augengrund fichtbar zu machen.

Mit meinem Augenfpiegel erging es mir, wie dem bekannten
fpanischen Edelmann mit feiner Stute. Es war die beste in dem Reiche
Karls V, worin die Sonne niemals unterging. Das herrliche Tier
hatte nur einen Fehler, man konnte auf ihm nicht reiten, es war tot.
Mein Augenspiegel war der beste der Welt, denn es gab nur einen,
den meinigen, aber er hatte den Fehler, man konnte damit nicht fehen.

Die Fakultät erteilte mir den Preis. Nach damaligem Brauche
wurden die Preisträger zum Feftmahle der Universität geladen und
von ihren Fakultätsdekanen bewirtet. Jch faß zur Rechten Tiedemanns;
er war liebreich gegen mich, wie ein Vater, mein eigener konnte kaum
zärtlicher sein.

Das Urteil der Fakultät war lateinisch abgefaßt. Auch meine
Abhandlung hatte ich in lateinischer Sprache vorlegen müsfen, doch
legte ich der lateinischen Uebersetzung die deutfche Urschrift in einem
besondern Hefte bei. Der Fürwitz trieb mich, an dem lateinischen
Hefte — es hatte Schreibbogenformat, wie auch das deutsche — einige
Blätter an den Ecken, je zwei zusammen, einzubiegen; ich wollte fehen,
ob das lateinische gelesen würde, wie ohne Zweifel das deutfche. Als
ich beide zurückerhielt, waren die lateinifchen Blätter noch immer fest
an den Ecken verbunden, die deutfchen gelöst.

Jch gebe das Urteil der Fakultät wortgetreu wieder:
 
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