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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0288

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268

Die badische Staatsprüfung.

Es wurden jährlich zwei Prüfuugstermine ausgeschriebeu, der
eine im Frühjahr, der audre im Herbst. Die Prüfung war gauz
überwiegeud fchriftlich, uur am Eude jeden Abschuittes kam eiue kurze
mündliche iu einigen Abendstuuden hiuzu. Da sie im Ganzen mit
den Au- uud Abmeldungen bei den Herrn Examinatoren gegen vier
Wochen in Anspruch nahm, war sie des vielen uud laugen Sitzeus
wegeu sehr augreifend, wir folgten deshab dem Beispiel der Mehr-
zahl und absolvierten im Frühjahr die Mediziu, die austreugendste
von den dreien, im gleicheu Termine die Geburtshilfe, uud erst im
Herbste die Chirurgie. — Den Mai uud den Sommer verbrachten
wir in Heidelberg, wo Bronuer bei Naegele als Assistent eintrat,
uud ich im Laufe des Semesters an Pfeusers Klinik Assisteut wurde.
— Jch trieb hauptsächlich chirurgische Studien uud besuchte regel-
mäßig die Kliuik von Chelius, worin sein Sohn Franz, heimgekehrt
von läugeren Reiseu im Ausland, viel und glänzeud operierte.

Au Osteru 1840 hatte die badische Prüfuugsbehörde eine wichtige
Aeuderung des bisherigen Verfahreus ins Werk gesetzt; zum erstenmal
wurden die Kaudidateu zu einer, allerdiugs sehr uuvollkommeuen, klini-
schen Prüfung in Medizin und Chirurgie an das Kraukeubett geführt.
Sie geschah im städtischen Hospital durch den sehr geschätzten Doktor
Molitor, der uus gnädig behaudelte; sie uahm für deu einzeluen Kan-
didaten kaum eine halbe Stunde in Anspruch. Dazu wurde die Morgen-
stunde von 8—9 verwendet, vor dem Beginn der schriftlichen Prüfung,
die im mediziuischen Abschnitt fast den gauzen übrigeu Tag, mit Aus-
nahme der Mittagsstunden von 12—2, bis abends 8 Uhr währte.
Jn diesem, nahezu 2 Wochen dauernden Abschnitt allein wurden nicht
weniger als 35 Ausgaben zur schriftlichen Bearbeitung gestellt, für
die meisten wurde zwei Stuuden Arbeitszeit gewährt. — Jn der
chirurgischen Prüfung und mehr noch in der geburtshilflichen, die nur
5 Tage erforderte, minderten sich die Ansprüche der Kommission an das
Sitzfleisch der Kandidaten beträchtlich. — Die schriftlichen Prüfungen
wurden in einem Saale des Lyceums unter der wechselnden Aufsicht
der Kommissäre vorgenommeu, wir saßen jeder an einem besondern
Schreibtisch, behandelten alle stets dasselbe Pensum und schrieben drauf
los, daß uns die Nägel brannten. Mein Freund Bronner wurde
 
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