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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0315

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Purgierkuren uud Blutentziehungen.

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dizinalgewichts) Blnt aus der Ader. Es wurde mir so leicht im Arm
und Kopf, daß ich ihn dringend bat, noch mehr laufen zn laffen, doch
ging er nicht darauf ein. Jch verspürte nicht die geringste Schwäche
und fuhr vier Tage nachher mit Freunden auf dem Rheine zu einem
Kommers nach Bonn hinab.

Einige Jahre darauf, 1847, in Wien, ließ ich mir wegen eines
aknten Trachoms mit starker, fchmerzhafter Anschwellung der Augen-
lider wieder ein Pfund Blut nehmen, aber diesmal verspürte ich keine
Erleichterung, hatte überhaupt keinen Nutzen davon.

Als die hitzigsten Vorkämpfer der jungen Wiener Schule den
Aderlaß aus der Liste der Heilmittel löschten, haben sie das Kind mit
dem Bade ausgefchüttet. Er ist allerdings in der Praxis da, wo er
früher unbedingt geboten fchien, meist entbehrlich, aber unter befonderen
Umständen kann feine Unterlasfung den Tod eines Kranken verfchulden,
den kein anderes Mittel fo sicher verhütet hätte. Verführt von den
Lehren jener Schule, habe ich beneiner Kranken mit äußerst akut auf-
tretender Brightscher Nierenentzündung und rasch anwachsendem Lnngen-
ödem meine Zeit mit ableitenden Mitteln anf Darm nnd Haut ver-
loren, und sie erstickte dnrch das Wasfer, das die Lungen überflutete.
Jn einem ganz gleichartigen Falle bald nachher machte ich, hierdurch ge-
warnt, bei der Sticknot einen kleinen Aderlaß, augenblicklich wurde die
Atmung frei, wie dnrch Zauber, das Eiweiß fchwand rafch aus dem Harn
und die Kranke genas in wenigen Tagen. — Aehnliche rasche Erlöfung
von Sticknot und Todesgefahr sah ich einigemale bei solchen drohenden
Ueberflutungen der Lungen, bei enormer Verengung der rechten Vor-
hofsmündung und bei Lungenentzündnng.

Es braucht meist keine großen Blutentziehungen, die bei organi-
schen Herzfehlern oder bei geschwächten Persvnen bedenklich wären,
schon kleine von 150—200 Zrm können rettend wirken, es kommt
hauptsächlich anf die Rafchheit an, womit die Blutmenge vermindert
wird. Man muß, wie man uns auf der Hochfchule lehrte, die Kranken
stets anfrecht fetzen, den Schnitt fchrüg, nicht quer oder der Länge
nach, nnd nicht zu kurz durch die Vene führen, nachdem man die
Binde vorher über ihr angelegt hat, anf daß, wenn irgend möglich,
das Blut fich im Strahl entleere. Dann kommt es am sichersten zur
 
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