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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0319

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Vomierkuren.

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Magen, doch weiß ich darüber nichts Genaueres auzugeben. Die Er-
scheinungen verliefen in der Regel so, daß ich mich morgens beim Er-
wachen matt und unwohl fühlte, mein Kopf war eingenommen,, nicht
aufgelegt zur Arbeit, ich hatte keine Eßlust, einen übeln Geschmack
und eine garstige Zunge. Nahm ich ein Brechmittel, so genas ich so-
fort, zögerte ich, so zog sich das Leiden in die Länge, bis ich mich
endlich entschloß, doch die häßtiche, aber sichere Kur zn gebrauchen.
Eine Pnrganz leistete die gleichen prompten Dienste nicht.

Als ich die Qninta in Heidelberg besuchte, erwachte ich eines
Morgens mit Fieber und gastrischen Erscheinungen. Das Fieber er-
reichte mittags eine solche Höhe, daß meine besorgte Mutter meinen
Vater durch einen Expressen von Wiesloch holen ließ. Er kam erst
spät abends, das Fieber war noch gestiegen und Kopfweh hinzugetreten.
Er verschrieb mir sofort eine Schüttelmixtnr ans Jpeea und Brech-
weinstein. Die Wirkung war großartig. Jch sank danach in tiefen
Schlaf, erwachte spüt am Morgen sieberfrei und bis auf ziemliche
Mattigkeit hergestellt. — Ein anderesmal, ich war bereits Mediziner,
konnte ich mich bei einem fieberlosen, äußerst widerlichen Gastri-
zismus mehrere Tage lang nicht zum Einnehmen des Vomitivs ent-
schließen und meinte, durch Fasten allein zum Ziele zu kommen. Nach
einigen Tagen vergeblichen Abwartens, griff ich zu dem erprobten
Mittel in früher Morgenstunde mit der gewohnten vesuvischen Eruption
reichlicher Gallenmengen. Hierauf sank ich in tiefen, erquickenden
Schlaf und nahm, sobald ich erwachte, die gebräuchliche, mit etwas
sauerem Rahm bereitete Wassersuppe. Nachmittags ging ich aufs
Schloß und speiste da oben mit prächtigem Appetit zwei köstliche
Kalbsrippchen mit gerösteten Kartoffeln, eine Flasche Münchner Bier
mundete dazu herrlich. Die Genesung war vollkommen.

Eine ganz energische Knr mit Tartni'ns 8tilnntn8 gebrauchte
ich 1853 als praktischer Arzt in Kandern, wo mich mein strapazieren-
der Beruf auf das Krankenlager warf und eine N^elitm 8xinnli8
mir die untere Körperhälfte lähmte. Jch ziehe jedoch vor, die Ge-
schichte dieser schweren Krankheit, die in mein Leben wie kein anderes
Ereignis bestimmend eingriff, erst im letzten Buche dieser Erinnerungen
zu erzählen.
 
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