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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0357

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Das Salzburger Land.

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Springquell: im Hexameter steigt die flüssige Säule, im Pentameter
drauf fällt sie melodisch herab. Also machten wir uns ans Werk
und ließen das Wasser des Wildbachs im Hexameter kühn über die
Versklippen hinwegsetzen, wobei es auf einen Fuß mehr oder weniger
nicht ankam, im Pentameter drauf anmutig tanzen durchs Thal.

Kitzlochfall, dir fehlt, was der Krimmfall hat, diesem, was jener,
Wär' euer Wasser vereint, wär' es des Wassers zuviel.

Uns war schon der Regen zuviel geworden; wir waren herzlich froh,
unsre durchweichten Kleider in einer Mühle, wo wir ein gutes Unter-
kommen fanden, am Herdfeuer getrocknet zu bekommen.

Am 11. Juni stiegen wir dnrch den Klammpaß hinauf ins
Gasteiner Thal. Bei Hofgastein überraschte uns ein Schneegestöber,
wie drei Tage zuvor auf der Gerlos. Wir kehrten „beim Moser"
ein nnd speisten recht gut an der Mittagstafel fiir 20 Kreuzer Münz.
Mit uns teilten am Tisch das Mahl der kaiserliche Badearzt und
einige kaiserliche Offiziere, die zur Kur hier verweilten.

Nach Tische zeigte uns der freundliche Herr Kollege die Bade-
einrichtungen und belehrte uns über die Tugenden der Gasteiner
Thermen. „Die chemische Analyse," so schloß er seinen Vortrag,
„findet in unsern Thermen nichts als warmes Wasser, aber die Herren
Chemiker haben das feine Prinzip, was darin wirkt, den Brunnen-
geist, noch nicht erwischt. Er hält sich versteckt, doch kann man ihn
deutlich wahrnehmen, wenn man gute Riechnerven besitzt. Belieben die
Herrn nnr zu prüfen!" — Wir prüften; ein leichter, wenn anch kein
feiner Geruch war in dem Badezimmer nicht zn verkennen.

Die meisten badeärztlichen Schriftsteller jener Zeit waren noch
voll des Lobs der Brunnengeister ihrer Queller^ und streuten ihnen
Weihrauch, bald in Prosa, bald in Versen. Einer von meinen Kollegen
in der Freiburger Fakultät der sechziger Jahre, ein geschätzter Bal-
neologe, hatte in begeisterter Andacht den Stahlbrnnnen des Renchthals
eine feurige Hymne gesungen, der Hauptvers lantete:

„Das ist der flüchtige Brunnengeist,

Der schwellend durch die Adern kreist
Und mit der wunderbarsten Kraft
Jm Körper neues Leben schafft."

Kutzmaul, A., Jugenderinnerungen.

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