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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0359

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Das Salzburger Land.

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unsres Gelübdes. Jn einem Zimmer neben uns hörten wir laute
Stimmen in lebhafter Unterhaltung, die sofort verstummten, als der
Tanz begann. An diesem Abend übertraf mein Freund, der un-
gemein gelenkig war, die Lola und selbst die Taglioni. Unfähig, es
ihm gleich zu thun, warf ich mich, vor Lachen fast erstickt, in die
Kissen, bald bestieg auch er, sehr befriedigt mit seinen Leistungen in
dem höheren Gebiete der Tanzkunst, das Lager. Jn dem Neben-
zimmer war es wieder lant geworden, wir aber wurden stille und
schliefen vortrefflich.

Bei Anbruch des Tages und prächtigem Wetter fuhren wir
weiter nach Salzburg, kamen gegen Abend in der wunderschönen Stadt
an, die der Welt den götttichen Mozart beschert hat, und stiegen im
Mohren ab. Die Küche dieses Gasthofes stand in großem Rufe und
wir fanden, es war Sonntag, das Speisezimmer mit Salzburger
Bürgern und ihren schöneren Hälften dicht besetzt. Beim Mustern
des Speisezettels siel uns ein Gericht auf, das wir nicht kannten:
„gebackene Aentern". Mein Freund wandte sich an eine hübsche
Frau, die ihm zur Seite saß, und erkundigte sich, was die Aeutern
bedeuteten, ob es vielleicht Fische seien? Aber die Schöne errötete
sittsam und schwieg. Er geriet in Verlegenheit und fürchtete, eine
unschickliche Frage gestellt zu haben. Der Gatte der Nachbarin, ge-
rührt von des Fremden Unschuld, klärte ihn auf: Aeutern seien ge-
backene Kuheutern und in Salzburg ein beliebtes Essen. Bronner
dankte und entschuldigte sich bei der Frau Nachbarin, sie schwieg noch
immer, schien jedoch beruhigt, denn offenbar hatte der fremde Gast
nicht daran gedacht, ihr zu nahe zu treten. Wir verzichteten übrigens
auf die Aeutern und dieser Leckerbissen ist mir bis heute noch nicht
zu teil geworden.

Nach Tisch gewährte uns der Mönchsberg das Schauspiel eines
Sonnenuntergangs von unvergeßlicher Schönheit. Wir verweilten zwei
Tage in Salzburg, besahen das Grabdenkmal des großen medizinischen
Kraftgenies, der sein Wanderleben hier beschlossen hat, des Theophrastus
Bombastus Paracelsus ab Hohenheim, besuchten den Friedhof, wo
Mozarts Constanze ruht, und machten einen Ausflug über Berchtes-
gaden nach dem Königssee.
 
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