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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0382

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362

Politische Streiflichter.

Kollegen einander in aller Freundschaft Kosenamen erteilen horten,
die kein deutscher Student von einem andern hingenommen hätte.

Am peinlichsten berührte nns eine Szene in Hebras Kurs über
Hantkrankheiten, sie zeigte, wie in Oesterreich sogar ein Mann in
akademischer Stellnng und von hervorragenden Verdiensten um die
Heilkunst keine Ahnung hatte, welche Achtung er der gewöhnlichen
Menschenwürde schulde.

Wir saßen gegen 20 Kursisten an einer langen Tafel, an deren
oberen Ende Hebra dozierte. Er besprach die Blntunterkaufnngen der
Haut nnd ihre Ursachen und handelte gerade von den vidiLos, den
blutigen Striemen infolge mechanischer Einwirkungen. „Die schön-
sten villie68," erzählte er, „können Sie Samstags drüben in der
Alserkaserne sehen, wenn der Profoß die Mannschaften, die sich in
der Woche vergangen haben, über die Bank spannt und aushaut."
Ein unwilliges Murren ging um den Tisch und vom unteren Ende
her, wo einige Ungarn saßen, rief eine zornige Stimme: „Schande
für Oesterreich!" — „Ah was!" erwiderte Hebra mit größter Ruhe,
„hören S', was die Offiziere sagen: mit den Polakeln und Slovakeln
wird man halt nit anders fertig." — „Noch einmal sag' ich," hallte
es von unten zurück, „Schande für Oesterreich, daß es seine Völker
nur durch das Hinterteil erziehen will." — Allgemeiner Beifall. Hebra
ließ sich nicht im mindesten aus seinem Gleichmut bringen und fnhr
in seinem Vortrag weiter: „Es giebt noch andre Formen von Blut-
unterlaufung, eine hat den prüchtigen Namen Purpura, zu ihr wollen
wir nunmehr übergehen."
 
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